Die Germanin
hat er in diesem Jahr schon gewonnen. Wie ich höre, wird er sich bald um die Prätur bewerben, aber noch ist es zu früh, er ist noch keine vierzig. Er kommt wieder recht oft in letzter Zeit, seine Frau soll sehr krank sein…«
Terentius warf Nelda einen lauernden Blick zu, wobei sein Dauerlächeln noch breiter wurde.
»Ich werde weiterarbeiten«, sagte sie und wollte wieder ins Haus zurückkehren.
»Warte mal!« Er hielt sie zurück. »Eines möchte ich doch mal genauer wissen. Die da, deine Verwandte, hat es mir neulich noch einmal erzählt, als ich sie ausdrücklich darüber befragte. Sie sagte mir mit aller Bestimmtheit, du und er… ihr wäret damals verlobt gewesen.«
»Und ich hab dir immer wieder gesagt, dass es nicht wahr ist«, antwortete Nelda gleichmütig. »Sie irrt sich, es ist ja auch inzwischen viel Zeit vergangen.«
»Jedenfalls muss es einen bestimmten Grund geben, warum die Sempronier sich so um dich bemüht haben.«
»Wenn es einen gibt, dann weißt du ihn längst. Mein Vater und der Senator waren miteinander bekannt und der, der dort kommt, hat eine Zeitlang bei uns gewohnt, als Richter und Vertreter des damaligen Statthalters. Mein Vater war immer römisch gesinnt, das kam mir zugute.«
»Du gehörst dem römischen Staat und bist äußerst wertvoll. Aber Gaius ist reich und hat Einfluss, er könnte dich irgendwann freibekommen. Und dann…«
Terentius blinzelte Nelda zu.
»Was heißt das… und dann?«, fragte sie unwirsch.
»Nun, wenn die Umstände es ergeben… Was damals nichts wurde, das könnte ja immer noch…«
»Was soll das Geschwätz? Verschone mich mit solchem Unsinn!«
Sie ließ sich nun nicht mehr zurückhalten.
»Verzeih, verzeih!«, rief er ihr nach. »Ich gebe ja zu, aus mir spricht die Eifersucht, ich…«
Sie hörte nichts mehr und kehrte durch die Halle in das kleine quadratische Zimmer im Erdgeschoss des Eckturms zurück. Unter dem Fenster stand ein Tisch mit ihrem Schreibzeug. Eine schlichte Truhe für ihre Habseligkeiten und das Bett mit einem gestreiften Überwurf füllten den Raum fast aus. Es war zwar eng, doch hatte sie das Kämmerchen allein für sich und den Jungen und eine Tür, die verriegelt werden konnte. An einen der Bettpfosten gelehnt saß Thumelicus, der immer noch schmollte, auf dem Fußboden und ritzte Buchstaben in seine Wachstafel. Ein paar Tonpüppchen und ein mit bunten Flicken besetzter Ball, aus dem schon die Wolle quoll, lagen herum. Nelda ließ sich auf dem Klapphocker am Tisch nieder, tunkte die Feder ins Tintenfass und fuhr fort, aus einem Verzeichnis die Namen der Kunden in Rom mit den dazugehörigen Posten von Mehl, Wein, Geflügel und Schlachtvieh, die ihnen zu liefern waren, auf Papyrusblättchen zu übertragen. Sie musste sich beeilen, denn die Fuhrwerke draußen wurden schon beladen.
Dann hielt sie aber doch kurz inne und blickte auf. Mitten im Hof hielt der Wagen und Gaius Sempronius sprang herab. Terentius eilte auf ihn zu, buckelte breit lächelnd um ihn herum und gab den eifrigen, um das Wohl des Gutsherrn besorgten Verwalter. Gaius hörte ihm einen Augenblick zerstreut zu, wobei seine Blicke umherwanderten und an dem Fenster des linken Eckturms haften blieben.
Nelda fürchtete, gesehen zu werden, senkte den Kopf und fuhr mit ihrer Schreibarbeit fort.
28
Einige Augenblicke später stand Gaius in der offenen Tür.
»Ist es erlaubt?«
»Du bist der Herr«, sagte Nelda und sie mussten beide lachen.
Er war nun grauhaarig, neigte ein wenig zur Fülle, hatte sich aber sonst wenig verändert. Seine gewinnenden Züge, seine heitere Miene, seine ungezwungene Haltung ließen ihn jünger erscheinen. Allerdings fehlten ihm schon an sichtbarer Stelle Zähne.
»Nun, wie geht es dir? Und was macht unser kleiner Cherusker? Oh, er ist ja schon wieder viel größer als beim letzten Mal. Ich habe dir etwas mitgebracht, ein Schiffchen, das kannst du da hinten im Teich zu Wasser lassen. Es liegt noch im Wagen. Geh! Mein Kutscher wird es dir geben!«
Thumelicus ließ seine Schreibtafel und den Griffel fallen und stürmte mit einem Freudenschrei hinaus.
»Aber prügele dich nicht wieder mit Askold!«, rief Nelda ihm nach.
»Ich sehe, du bringst ihm schon etwas bei«, sagte Gaius. »Natürlich könnte er auch bei mir in Rom am Unterricht teilnehmen, zusammen mit meinen Kindern. Der Lehrer ist ausgezeichnet.«
»Ich danke dir, aber ich möchte ihn noch ein bisschen behalten.«
»Und wenn du mitkämest?«
»Du hast zu befehlen,
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