Die Germanin
ich bin eine Unfreie. Aber ich fühle mich hier ganz wohl. Ich mag nun einmal die Städte nicht. Hast du Neuigkeiten?«
Er richtete den Gürtel seiner Tunika und lehnte sich an den Türpfosten. »Ich habe auf jeden Fall einen Anlass, um herzukommen.«
»So hast du etwas von ihm gehört?«, fragte sie gespannt und in ihren Augen, die sonst so trübe blickten, blitzte es auf. »Rede doch! Was tut er? Haben Kaufleute etwas berichtet? Was konntest du erfahren?«
»Über Arminius? Nichts Neues. Man hat lange nichts mehr von ihm gehört. Übrigens fiel mir da eben wieder etwas ein… das ist auch eine Neuigkeit und sie wird dich interessieren. Als ich ans Tor kam, sah ich deine Verwandte… heißt sie nicht Ramis? Sie ist doch die Frau dieses Rothaarigen, der neben ihr im Triumphzug mitging. Der dann mit deinem Bruder nach Luni in die Marmorbrüche geschickt wurde. Auch wegen besonders schwerer Vergehen. Schändung der Leiche des Varus, Ermordung Gefangener an Opferaltären und so weiter.«
»Du meinst Segithank, meinen Vetter. Was ist mit ihm?«
»Er ist geflohen. Mit ihm sechs andere.«
»Und mein Bruder?«
»Der ist nicht dabei. Dafür dieser einäugige Herkules. Beim Transport eines Marmorblocks den Berg hinunter täuschten sie einen Unfall vor. Der Kolonnenführer, ein Lusitaner, kam dabei ums Leben. Er lag, von dem Block zerquetscht, neben dem Schlitten, das heißt, sie haben ihn umgebracht. Sie sind spurlos verschwunden.«
»Von wem hast du das erfahren?«
»Von einem befreundeten Ritter, der einen der Brüche gepachtet hat. Alles rätselt, wie das passieren konnte. Dass man sieben Sklaven vom selben Germanenstamm, die sich alle gut kannten, in derselben Kolonne ins Tal schickte – mit einem einzigen Aufseher.«
»Und wenn eine Absicht dahintersteckte?«, sagte sie nachdenklich. »Vielleicht hat ihnen jemand die Flucht ermöglicht…«
»Ausschließen kann man das nicht.«
»Aber wer?«
»Es ist besser, man nennt keine Namen.«
Gaius sah sich um und bemerkte, dass Terentius in der Halle, ein paar Schritte hinter ihm, einen Hund kraulte.
»Ich wollte nur wissen«, sagte der Verwalter, wobei er sich rasch aufrichtete und verbeugte, »ob du Aufträge für mich hast, Herr!«
»Später, später…«
Nelda erhob sich und raffte ihre Papyri zusammen. »Ich werde, wenn es dir recht ist, jetzt zu den Fuhrleuten gehen. Damit sie losfahren können.«
»Warte, das kann doch Terentius machen«, sagte Gaius und rief den Verwalter zurück. »Erledige das!«, befahl er ihm. Dann bat er Nelda mit einer Geste, ihm in das Peristyl hinter der Halle zu folgen. Mit gefrorenem Lächeln sah ihnen Terentius nach.
»Nun aber zum Anlass meines Besuchs«, sagte Gaius, während er mit Nelda im Schatten eines der Säulengänge auf und ab schritt. »Ich habe vor, an den Rhenus zu reisen, nach Mogontiacum. Eine geschäftliche Angelegenheit. Wenn alles erledigt ist, werde ich Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung machen und auch ein bestimmtes kleines Gut aufsuchen.«
»Um meinen Vater zu sehen?«, fragte Nelda kühl.
»Ja. Jedenfalls hoffe ich, dass ich ihn noch antreffe. Du weißt, ich sah ihn zum letzten Mal vor zwei Jahren. Er hatte sich eingelebt im Land der Treverer, wenn auch mühevoll. Er wirkte aber noch rüstig.«
»Ich hoffe, dass sich daran wenig geändert hat.«
»Das hoffe ich ebenfalls. Aber er war ja damals schon nicht mehr der Jüngste. Und dann gab es etwas, das ihm Kummer bereitete… großen Kummer. Wir haben nach meiner Rückkehr darüber gesprochen.«
»Ich erinnere mich«, entgegnete Nelda abweisend. »Dazu gibt es aber nichts mehr zu sagen.«
»Du hast deine Meinung nicht geändert?«
»Nein.«
»Dann bin ich wohl umsonst hergekommen.«
Eine Weile gingen sie schweigend auf und ab. Nelda hatte die Arme verschränkt und blickte starr geradeaus. Gaius beobachtete sie von der Seite und suchte nach einer Fortsetzung des Gesprächs.
»Sieh mal«, sagte er schließlich, »er hatte Zeit… sehr viel Zeit, um nachzudenken. Es war ja auch alles ganz anders gekommen, als er es sich vorgestellt hatte. Damals, als er Germanicus um Entsatz bat, hatte er gehofft, im Lande bleiben zu können, auf seinem Hof, unter römischem Schutz. Daraus wurde nichts, man brachte euch über den Rhenus. Er blieb ein freier Mann und du kamst hierher als Gefangene. Dann dieser furchtbare Tag im Mai, vor vier Jahren! Tiberius hatte Germanicus zurückberufen und ihm den Triumph bewilligt. Das alles war Heuchelei und
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