Die Gerüchteköchin
Gehirnerschütterung hatte. Was zum Teufel hatte sie denn sonst? Sie blickte sich um. Nun ja, sie hatte eine hässliche Küche. Der Boden war mit grauem Linoleum ausgelegt, weil Brent es billig bekommen hatte, aber sie selbst hatte die Wände gelb gestrichen. Jawohl, das war ihre Wahl gewesen. Natürlich waren sie gelb. Sie hatte das Gefühl, in einem Früchtekuchen zu sitzen.
Wenigstens die schwarze Spitze hatte sich von der gelben Farbe abgehoben.
Vorsichtig stand sie auf und ging in die Diele. Die Diele war weiß. Langweilig, aber nicht unangenehm. So ähnlich wie Brent, bis heute jedenfalls. Heute war er unangenehm und unerträglich. Sich am Geländer hochziehend, erklomm sie mühsam die Stufen. Die Anstrengung machte sie schwindelig. Sie stützte sich an der Wand ab und gelangte so ins Schlafzimmer.
Pfirsichfarben. Wie war sie überhaupt auf die Idee der Pfirsichfarbe gekommen? Das gepolsterte Bett am Kopfende war besonders hässlich. Wenn sie es recht überlegte, hasste sie das ganze Zimmer. Das ganze verdammte Haus. Es war Zeit umzuziehen. Vielleicht sollte sie das tun, einfach umziehen. Vielleicht sollte sie das tun, einfach ausziehen, ohne Brent ein Wort zu sagen. Aber dann würde er es von jemand anderem erfahren. So war das nun einmal in Frog Point. Hier konnte man nichts verheimlichen.
Maddie legte sich aufs Bett. Es war himmlisch, die Augen zu schließen, weil das bedeutete, dass ihre Augäpfel nicht herausfielen. Der restliche Schmerz jedoch, den sie überall empfand, lastete so stark auf ihr, dass sie sich tief in die Matratze sinken ließ, um ihm auszuweichen. Der springende Punkt ist; so ging es ihr durch den Kopf, dass ich ihn hasse. Also sollte es mir egal sein, oh er mich betrügt oder nicht. Aber mir tut alles weh, und ich hasse den Gedanken, dieser verdammten Stadt mit dieser ganzen unausweichlichen Katastrophe gegenüberzutreten, und ich ertrage es nicht, was das für Em bedeutet. Am besten sollte ich wohl später darüber nachdenken.
Ich muss später darüber nachdenken.
Um sieben Uhr an diesem Abend lehnte C.L. sich gegen die Hintertür des Farmhauses seines Onkels und hörte den Grillen zu, die ihr Konzert anstimmten. Bis zum Einbruch der Dunkelheit würde es noch eine Stunde dauern, aber einige von ihnen begannen früh, und ihr Zirpen vermischte sich mit dem leisen Rauschen des Flusses, der ein paar hundert Meter entfernt an der Farm vorüberfloß, und mit dem Gesang der Vögel, die das Ende des heißen Augusttages zelebrierten. Es war einer der Abende, an dem ein Mann sich wünschte, mit einem kalten Bier und einer warmen Frau in einer Hängematte zu liegen, aber die Frau, an die er nicht zu denken versuchte, war verheiratet und hatte ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Soviel zu Hängemattenphantasien. Wahrscheinlich war es sowieso unmöglich, sich in einer Hängematte zu lieben, obwohl er, wäre Maddie die Frau darin, verteufelt sicher war, dass er es auf einen Versuch ankommen lassen würde. Diese Vorstellung rief weitere hervor, an die er allesamt nicht denken durfte und die ihn schuldbewusst zusammenzucken ließen, als ihn seine Tante von hinten anredete.
»Hast du dir die Hände gewaschen, C.L.?«
C.L. fuhr herum und sah, wie Anna den Küchentisch mit dem Abendessen belud. Das rotweiß karierte Wachstischtuch war mit großen weißen Porzellantellern, mit dampfenden Fleisch- und Kartoffelschüsseln und mit Gott weiß was noch bedeckt. Der Duft stieg ihm in die Nase, und bei dem Gedanken an die Würze und den Fleischsaft des selbstgepökelten Schinkenbratens und an die Sauce aus Sahne und Käse, in der die Kartoffeln blubberten, lief ihm das Wasser im Mund zusammen.
»Ich schwebe gerade im siebten Himmel«, antwortete er, und sie sagte: »Wenn du dir nicht die Hände gewaschen hast, lassen sie dich dort nicht rein.«
Ihre Stimme war streng, aber sie strahlte genausoviel Wärme und Güte aus wie damals, als Henry ihn vor siebenundzwanzig Jahren mit nach Hause gebracht hatte. Seine Mutter hatte ihm ein letztes Mal erklärt, was für ein Nichtsnutz er war und dass sie ihn nun endgültig in ein Heim für jugendliche Straftäter schicken würde, weil er selbst einer war. Deshalb war er ausgebüxt und wollte im Park schlafen, in der Einbildung, dass dies für einen Zehnjährigen völlig normal sei. Gerade als er die Picknickhütte ansteuerte, war Henry mit dem Wagen neben ihm aufgetaucht und hatte gesagt: »Komm, Junge, steig ein.« Zuerst hatte C.L sich weigern und sagen
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