Die Gerüchteköchin
alt aus«, log sie. »Du siehst besser aus als ich.« Angesichts des derzeitigen Zustands ihres Auges entsprach das zu allem Unglück beinahe der Wahrheit.
Gran schniefte. »Es kann jederzeit soweit sein.« Sie setzte die halb aufgegessene Schildkröte in die Schachtel zurück und legte die freie Hand auf ihr Herz. »Jederzeit.«
»Um Gottes willen, Gran«, rief Maddie aus. »Kann ich irgend etwas für dich tun?«
»Diese Kette würde gut zu meinem Nachthemd passen.« Gran zupfte an dem blassgrünen Chiffon.
Das rote Glas würde grausig auf diesem Nachthemd aussehen, aber das tat Gran ja auch.
»Gran, ich weiß nicht«, meinte Maddie. »Brents Mutter hat sie -«
»Diese Frau.« Gran vergaß, schwächlich auszusehen, und rümpfte die Nase. »Helena Faraday war keinen einzigen Tag in ihrem Leben gut gekleidet.« Bei diesem Gedanken schnaubte sie verächtlich, erinnerte sich dann jedoch daran, dass sie dem Tode nahe war, und sank in die Kissen zurück. »Ich bin sicher, sie hätte nichts dagegen, wenn du die Kette deiner sterbenden Großmutter leihen würdest, Maddie. Schließlich -«, hier legte Gran eine Pause ein, um fromm, selbstlos und großherzig auszusehen, allesamt Eigenschaften, die ihr fernlagen, »- wirst du alles bekommen, wenn Gott mich zu sich ruft.«
»Na ja, wenn du meinst, dass du dich dann besser fühlst«, meinte Maddie. Genug Sarah Bernhardt für einen Besuch. Sie streifte die Kette über den Kopf ab und reichte sie ihrer Großmutter, die sie sofort um ihren Hals legte und sich wieder daranmachte, die Schildkröte auszuweiden.
Maddie stand auf. »Du siehst wirklich schon viel besser aus, Gran, deshalb -«
»Setz dich«, befahl ihre Großmutter ohne jede Schwäche. »Ich habe dir noch nicht die letzten Neuigkeiten erzählt.«
Maddie setzte sich wieder und sah verlangend auf die Pralinenschachtel. Wenn sie sich schon die Skandalgeschichten aus dem Altenheim anhören musste, sollte sie dabei wenigstens Schokolade essen, aber ihre Großmutter würde sie allein schon bei dem Versuch zerfleischen.
»Mickey Norton entblößt mal wieder sein Allerheiligstes.« Gran legte die angebissene Schildkröte beiseite und nahm sich eine Nougatpraline. »Abigail Rock, zwei Türen weiter hinten, regt sich furchtbar auf, aber Mickey kann es einfach nicht lassen. Dieser Ed Keatin vom Ende des Gangs kommt überhaupt nicht mehr aus dem Bett. Es ist schrecklich, wie Männer sich gehenlassen, wenn sie älter werden.«
»Oh, ich weiß nicht«, erwiderte Maddie und dachte an C.L. »Es gibt auch einige, die sich positiv entwickeln.«
Erneut schnaubte Gran verächtlich. »Wie dein Mann vielleicht?«
»Ich muss jetzt wirklich gehen, Gran«, wich Maddie aus und stand auf, aber ihre Großmutter sagte: »Setz dich«, also gehorchte sie und hörte sich den ganzen Klatsch an, den ihre Großmutter innerhalb einer Woche abgespeichert hatte. Gott sei Dank sprach Gran mit der Schnelligkeit eines Maschinengewehrs, so dass sie die Woche in einer halben Stunde abhandeln konnte.
»Und jetzt noch du«, meinte sie abschließend. »Sieh dich an, so durchgeprügelt. Jeder hier weiß doch, dass du meine Enkelin bist. Schon ist mein guter Name dahin.« Einen Augenblick lang sah sie verzweifelt aus, griff dann zur nächsten Praline.
»Es ist nicht dein Name«, korrigierte Maddie sie, »sondern Brents. Es ist ein Faraday-Skandal oder ein Martindale-Skandal. Man müsste drei Generationen zurückgehen, um einen Barclay-Skandal daraus zu machen.«
Erzürnt beugte ihre Großmutter sich vor. »Und du glaubst, das tut man nicht?«
Maddie wich ein wenig zurück. Für die Menschen in diesem Heim waren drei Generationen so etwas wie gestern. »Du hast recht. Tut mir leid wegen des Auges, Gran. Ich hätte nicht kommen sollen. Ich komme nicht wieder, bevor es nicht ganz ausgeheilt ist.«
»Ha!« keifte ihre Großmutter. »Und du meinst, das würde auch keinem auffallen, was? Du wirst nächsten Sonntag wiederkommen, genau wie immer. Bis dahin solltest du lernen, mit Makeup umzugehen. Es ist ein Skandal. Ha!«
Maddie erhob sich.
»Setz dich!« befahl ihre Großmutter.
»Ich kann nicht.« Maddie trat seitwärts den Rückzug zur Tür an. »Ich muss jetzt wirklich gehen. Bis nächste Woche, versprochen. Tschüs, Gran.«
»Nächstes Wochenende werde ich tot sein.« Großmutter nahm sich noch eine Sahnepraline, diesmal eine mit einer Walnuss obendrauf.
»Mit dieser Kette siehst du großartig aus, Gran«, meinte Maddie und zog die Tür hinter
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