Die gesandte der Köingin Tess 2
wie eine Bettelparade. »Wie kommst du auf die Idee, dass ich von dir berührt werden möchte?«, fragte ich leise, und er schnaubte kaum hörbar.
»Ich bin nicht auf die Idee gekommen, mich zu fragen, was du willst.« Seine leise Stimme klang beiläufig und angenehm, und ich fand es schrecklich, dass sie irgendwie die Macht besaß, die Stimme des Windes in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen. »Ich halte dich bloß fest, damit du nichts Dummes anstellst, wie etwa Kapitän Rylan zu ermorden, falls er dich nur anstupst.«
»Wenn ich Kapitän Rylan töten will, wirst du mich nicht daran hindern können«, erklärte ich kühn.
Jecks Finger drückten warnend zu und ließen dann wieder locker. »Der Sohn meines Königs ist in Gefahr«, hauchte er so leise, dass nur ich ihn hören konnte, während wir dem Gardehauptmann meiner Schwester folgten und unsere Stiefel auf den Schieferplatten des Weges lärmten. »Wenn du irgendetwas tust, was den Mann so verärgern könnte, dass er Prinz Alex noch mehr schadet, werde ich möglicherweise nicht verhindern können, dass mein Herrscher kriegerische Anwandlungen bekommt. Du hast seinen zweitältesten Sohn bereits in den Wahnsinn getrieben. Falls Alex etwas zustoßen sollte, wird er davon ausgehen, dass die Entführung und Ermordung seines Sohnes von deiner Königin geplant wurde.«
Mein Herz pochte, und ich versuchte, mich zu beruhigen, ehe sich meine Adern mit Gift füllten. Es waren Jeck und Kavenlow gewesen, die den Zweitältesten des Königs von Misdev in den scheinbaren Wahnsinn getrieben hatten, doch das spielte im Grunde keine Rolle. Ein von langer Hand geplanter Verrat war genau das, was die kriegslüsternen Misdever vermuten würden. »Was bist du eigentlich für ein Spieler, wenn du deine Spielfiguren nicht im Griff hast?«, höhnte ich leise. Hinter einer von Weinranken verborgenen Biegung war zu hören, wie Jeck und ich angekündigt wurden.
Jeck blieb stehen und beugte sich so dicht zu mir herab, dass sein Atem eine meiner wüsten Locken bewegte. »In diesem Fall würde ich meinen König einfach glauben lassen, was er glauben will.«
»Es kümmert dich tatsächlich, was mit Alex geschieht?«, fragte ich, aufrichtig überrascht. Und ich erhaschte einen flüchtigen Gefühlsausdruck auf seinem Gesicht, den er sofort hinter einer Grimasse verbarg. Allmählich lernte ich, dass dies seine Art war, sich Emotionen zu verschließen, die er für nutzlos oder kontraproduktiv hielt. Emotionen wie Verständnis, Erbarmen, Mitgefühl oder Liebe.
Als Hauptmann Resh mit seiner Vorstellung fertig war, wurden Stühle über den Boden gerückt. Sogleich setzte Jeck uns wieder in Bewegung. »Ich habe eine Menge Zeit in ihn investiert. Weiter nichts.«
Nachdenklich ließ ich mich von ihm weiterziehen. Nein, da war noch mehr. Nachdem wir so viel Zeit in enger Gemeinschaft verbracht hatten, konnte er mich nicht mehr so leicht belügen wie alle anderen. War es möglich, dass Jeck, Hauptmann der Misdever Garde und meisterhafter Spieler, tatsächlich etwas an den Menschen lag, für die er verantwortlich war?
Doch diese Überlegungen verflogen, als ich Kavenlow, Kapitän Rylan und Smitty an einem Verhandlungstisch neben dem Orchideenteich stehen sah. Mein Blick flog zu Kavenlow. Ich starrte ihn an und fühlte mich völlig hilflos. Tausend Wörter lagen mir auf der Zunge, aber ich konnte keines davon aussprechen, weil die strengen Grenzen höfischen Benehmens es mir verbaten. Einen Moment lang wirkte er verblüffend erleichtert, dann erstarrte sein Gesicht wieder zu einer förmlichen Maske.
Er strich sich mit den kurzen Fingern über den ordentlichen, schwarzgrauen Bart, eine vertraute Geste der Besorgnis. Der stämmige Mann wirkte eher wie ein Rittmeister denn wie ein Buchhalter, trotz seiner feinen Kleider, und er zappelte leicht in vornehmer Aufregung. Ein Dolch steckte als offene Drohung an seinem Gürtel und verstärkte seine Ausstrahlung verborgener Macht. Seine blaugrauen Augen musterten bestürzt und sorgenvoll mein abgerissenes Äußeres. Ich errötete. Immerhin war ich eine Prinzessin. Gewissermaßen. An guten Tagen.
Smitty starrte mich an, öffnete und schloss stumm den Mund, machte schließlich ein abergläubisches Zeichen und wich einen Schritt zurück. »Du lebst noch!« Er krallte die Finger in Kapitän Rylans Ärmel und zerrte daran, als könne er es nicht glauben. »Sie lebt noch«, zischte der derbe Mann seinem Kapitän zu. »Verbrannt noch mal, sie lebt noch! Bei Gott,
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