Die gesandte der Köingin Tess 2
lösen.
Befriedigt machte ich auf dem Absatz kehrt, raffte meine schmutzstarrenden Röcke und marschierte weiter, vorbei an der Bibliothek, in der ich zum ersten Mal davon gehört hatte, dass es eine Welt außerhalb der Palastmauern gab, vorbei am kleinen Ballsaal, wo ich entdeckt hatte, dass nicht alle Männer tanzen können, und vorbei an der kleinen Kapelle, die ich jetzt nicht mehr aufsuchte, weil auch Contessa sich diesen Ort als ihr Refugium erwählt hatte.
Jeck gluckste höhnisch neben mir. Ich konnte mir nicht vorstellen, was er so komisch fand. Wenn ich da nicht hineinkam, würde es ihm ebenso wenig gelingen. Mein zuversichtlicher Schritt erlahmte, als ich die Tür zum Wintergarten sah. Hier waren meine Eltern gestorben. Ich wollte inmitten der Rosen und Käfigvögel nicht auch noch vom Tod meiner Schwester erfahren. Das durfte nicht sein.
Vor der Tür standen drei Wachen, sämtlich in Costenopolier Farben. Durch das Glas waren drin drei weitere zu sehen. Alle waren ältere, erfahrene Männer. Plötzlich unsicher, strich ich mir eine braune Locke hinters Ohr und zuckte zusammen, als ich auf einen sandigen Knoten stieß. Zaudernd blickte ich an mir hinab.
Meine Hände waren schmutzig und sogar mit Teer verschmiert. Mein Kleid war bis zur Taille hinab zerrissen und wurde von einem Stück Schnur zusammengehalten. Die Stiefel an meinen Füßen gehörten nicht mir. Wie, um alles in der Welt, hatten die Leute mich vor dem Tor erkannt? Ich sah aus wie die Bettlerin, die meine Mutter vermutlich gewesen war.
Jeck warf mir einen Blick zu, nachdem er näher gerückt war, um dafür zu sorgen, dass er auch ja mit mir eintreten würde. »Das Feuer in deinem Blick, dein gerecktes Kinn, deine ganze Haltung«, flüsterte er, als hätte er meine Gedanken gelesen.
Ich errötete wider besseres Wissen. »Hauptmann Jeck wird mich an Eurer Stelle begleiten, Hauptmann Resh«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass er mir nur geschmeichelt hatte. Trotzdem fühlte ich mich dazu bewogen, ihn zu der Unterredung mit hineinzunehmen. Heather zupfte an meinem Rock herum, und niemand achtete auf sie.
»Jawohl, Prinzessin.« Hauptmann Resh klang gequält. »Erlaubt mir, Euch anzukündigen.«
Ich strich mir aus reiner Gewohnheit das zerfetzte Kleid glatt, während der ältere Offizier die Tür öffnete und für mich aufhielt. Der Duft warmer Erde und das Gezwitscher der vielen Vögel drangen in den Flur hinaus. Ich atmete tief ein und ließ die Schultern rückwärts herabsinken, um eine königliche Haltung einzunehmen. Der Wintergarten war einst mein Lieblingsplatz für den Unterricht im Rechnen und Lesen, in Etikette und Geschichte gewesen. Jetzt nicht mehr.
Ich ließ Heather im Flur zurück, trat als Erste ein und blieb neben den innen postierten Gardisten stehen. Jeck in seinem sauberen Rock mit Hut kam als Nächster – er roch nach Schweiß und dem Meer. Hauptmann Resh schloss die Tür, flüsterte seinen Männern eine kurze Anweisung zu und ging dann Jeck und mir voraus den gewundenen Pfad zwischen großen Kübeln und Kletterpflanzen entlang. Wir kamen an Statuen von Contessa vorbei, nach und nach gefertigt, während sie herangewachsen war. Ich schwor mir erneut, dass die gesamte Piratenbande sterben würde, wenn sie nicht unversehrt zu mir zurückkehrte. Der Duft früh blühender Rosen trug die Erinnerung an Kavenlow heran, der mir quer durch den Wintergarten Rechenaufgaben zurief. Ich zögerte unwillkürlich, und Jeck war mir einen Schritt voraus, ehe er merkte, dass ich langsamer geworden war.
Wie soll ich es Kavenlow sagen? Kann ich einfach mit Duncan fortgehen, ohne es ihm je zu erklären?
Mit hochgezogenen Augenbrauen ließ Jeck den Blick über mich schweifen. Zweifellos bemerkte er mein kaltes, ängstliches Gesicht. Schwarze Federn hingen ihm bis in den Nacken, und ein neues Schwert ruhte an seiner Hüfte. Er rückte den abscheulichen Hut zurecht, nahm wie ein höflicher Begleiter meinen Arm und zog mich mit sich.
»Kalte Füße, Prinzessin?«, bemerkte er, während Hauptmann Resh vorausging, um uns anzukündigen.
Ich erstickte meine Sorgen, um meinen Magen zu beruhigen. »Hattest du nicht gesagt, ich solle dich nie wieder berühren?«
»Jetzt bist du ja nicht zornig auf mich«, entgegnete Jeck, in Gedanken offenbar bereits anderswo. »Du bist harmlos.«
Ich runzelte die Stirn und dachte mir, dass wir ein seltsames Paar abgeben mussten – wir bewegten uns beide anmutig und kultiviert, stanken zum Himmel und sahen aus
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