Die gesandte der Köingin Tess 2
Augen und fuhr mit dem Handrücken darüber. Jeck und Kavenlow waren noch genau da, wo ich sie zuletzt gesehen hatte. Kavenlow blätterte in dem Stapel Papiere herum, der ihm gebracht worden war – die neuesten Nachrichten und Gerüchte aus der Stadt. »Hier«, sagte er und neigte sich mit einer Liste näher zu Jeck. »Wenn Ihr die Landmannschaft anführt, solltet Ihr Jamie und Turlo mitnehmen. Sie sind in Saltolz aufgewachsen. Vielleicht haben sie sogar eine Idee, wo die Piraten sich versteckt halten.«
Es war vollbracht. Mit hängenden Schultern stand ich auf und schwankte vor Schwäche. Keiner der beiden Männer blickte auf, denn ich nutzte die restliche Magie, die noch in mir war, um unbemerkt zu bleiben. Das war ganz einfach, weil ich ihre Gedanken noch recht deutlich spürte. Gebeugt vor Kummer und benommen vom Gift schlich ich mich langsam aus dem Audienzsaal.
Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich meine Magie dazu benutzt, jemanden zu täuschen. Und das war auch das letzte Mal, schwor ich mir, während ich ein wenig unsicher auf die Stallungen zuging. Aber was konnte Kavenlow mir deswegen schon tun? Mich hinauswerfen? Meine Lehre für beendet erklären und mich zwingen zu gehen? Das würde er ohnehin tun.
24
Einen noch, Tess«, sagte Thadd, hob ein schweres Säckchen auf die Ladefläche des Wagens und schob es an die anderen drei. Die kostbaren, seltenen Gewürze in ihren fest verschlossenen kleinen Truhen wurden näher an mich herangerückt, und die exotischen Düfte kitzelten mich in der Nase.
Ich nickte und blieb mit gesenktem Kopf neben dem Kutschbock stehen. Meiner List zuliebe trug ich ein altes Kleid, das zu klein und schmuddelig war. Ich hatte es getragen, als ich im vergangenen Frühjahr meinen Palast zurückerobert hatte – und es danach vor Heather versteckt, damit sie es nicht verbrannte. Nun würde ich es wieder tragen, um meine Schwester zu retten. Zwar hatte man mich am Tor erkannt, als ich noch viel schlimmer ausgesehen hatte, aber da hatte ich ja auch gewollt, dass die Leute mich bemerkten. Diesmal wollte ich das nicht.
Thadd ging davon, und mit seinem etwas trägen Schritt und der gedrungenen Gestalt blieb er im Gedränge um die Stallungen unbemerkt, denn die Männer bereiteten sich vor dem Morgengrauen auf ihren Aufbruch vor. Der junge Bildhauer wurde sichtlich von Sorgen erdrückt, die Schultern waren angespannt, der Blick niedergeschlagen, und ich beobachtete Contessas erste Liebe mit schwerem Herzen.
Er war mit Contessa aufgewachsen, und sie hatten sich zusammen auf ein einfaches Leben gefreut, ehe sie innerhalb eines Tages vom Findelkind zur Prinzessin erklärt und ihre Welt auf den Kopf gestellt worden war. Thadd liebte sie über alles und hatte sie durch das halbe Königreich begleitet, um sie vor Gefahren zu beschützen, denen er nicht einmal ansatzweise gewachsen war. Dann hatte er seine Tapferkeit ein weiteres Mal bewiesen, indem er selbst sein Leben völlig verändert hatte, um sich einen Platz in ihrem zu bewahren. Der einfache, aber ehrliche Mann hatte mehr Kummer als alle anderen, und niemand scherte sich darum, denn sein Status als »Ratgeber der Königin« wurde höflich ignoriert, während man über ihn tratschte. Traurig wandte ich mich ab, zog Penelopes Tuch fester um meine Schultern und bemühte mich, unbemerkt zu bleiben.
Meine Finger kribbelten vor Magie, und sie kitzelte mich in der kalten Nase. Sie durchströmte mich wie ein dünnes, unermüdliches Rinnsaal, beinahe unmerklich. Niemand würde mich sehen, außer ich zog absichtlich Aufmerksamkeit auf mich, aber trotzdem war ich nervös. Die Sonne würde gleich aufgehen, und ich musste endlich aufbrechen. Ich hatte nur ganz kurz geschlafen und nichts als ein Brötchen gefrühstückt – das hatte ich aus den Körben für die Soldaten stibitzt, die in der Nacht das Signalfeuer auf dem höchsten Turm bemerkt hatten und in den Palast zurückgeeilt waren. Vor Schlafmangel und aus Furcht, Kavenlow und Jeck könnten sich daran erinnern, dass der Wagen bei Sonnenaufgang, nicht Sonnenuntergang aus der Stadt hinausfahren sollte, war mir leicht schwindlig und übel.
Langsam ging ich los und schlich mich noch einmal in den Stall, um mein letztes Pferd zu holen. Ich hatte mich über Nacht hier vor Kavenlow versteckt, denn ich hätte ihm nicht in die Augen sehen können. Ich hatte sein Vertrauen missbraucht. Ich hatte gelogen und seine Gedanken manipuliert. Ich wusste nicht, wie ich das jemals
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