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Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Anna Waser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Waser
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Betzeit bei seiner Schwester einfinden, wovon ich den übrigen Tag in großer Erregte wartend und mit schier unerträglichem Herzklopfen verblieb.
    Als ich hinkam, lag die Magdalene schön mit weißem Gesicht da wie eine Tote, nur die blauen Adern am bloßen Hals pochten vernehmlich. G. erzählete flüsternd, wie sie schon den ganzen Tag in Verzückung gelegen und auch schon einige convulsiones gehabt. Wir setzten uns um das Lager. G. hielt ihren Puls zu Wahrnehmung ihrer Blutsbewegungen, derweil Beat und ich beides, Worte wie äußer Gebaren, zu notieren uns anschickten.
    So saßen wir etwas Zeit, als plötzlich eine seltsame Veränderung mit ihr vorging. Die Pupillen, so bislang ohnverrückt unter den dünnen Lidern gelegen, fingen an mit starkem Hin-und Herrollen, dabei oft ein Glanz wie von einem geheimen Feuerlein unter den roten Wimpern herfürsprang. Alsbald aber breiteten sich die convulsiones weiter aus mit Verrenkung des roten Mundes, und war es nicht anders, als ob die brennenden Lippen von einer großen und fremden Macht gepeinigt würden zu Formung unvertrauter und gewaltiger Worte. Jedennoch waren es zuerst zarte und schier gurgelnde Laute, so sich, dem Gurren von denen Täubchen nicht unähnlich, unter heftigem Erzittern des ganzen Leibes entrangen. Plötzlich aber warf sie sich mit einem großen und furchtbarlichen Schrei hintüber und ging ein Schrecken durch das Gemach, woraus wir wohl fühlten, daß die göttlich Inspiration in sie gefahren. Mit weiten Augen, so in dieser Verzückung völlig grün erschienen, starrte sie über sich und warf die weißen Ärm in einer unerhörten Heftigkeit gen Himmel mit einer hohen, außermenschlichen Stimme zu unterschiedenen Malen rufende: ‚Herr, Herr, wie du willst, wie lang du willst, durch diese Flamme muß ich!‘ Dann schier geheimnisvoll und unter heftigem Zupfen der Finger: ‚Ah, sehet an das Feuer, rot ist das Feuer, oh, der große Fresser kommt über mich,‘ und dann lauter und wie Gesang von denen Katholischen: ‚Der Wald ist verzehret, das Gras ist verdorrt, die Herrlichkeit der Schwanen ist dahin! Heulet, ihr Tiere, dann das Gras des Feldes ist verbrennet, und das Kraut des Waldes ist verzehret, der schwarze Vogel wird dich deiner Kleider berauben und deine Geschmeide den Hummelen zur Beute geben. Oh, oh, oh!‘ Dabei griff sie in ihr mächtig rot Haar, daß es sich alsobald lösete und gleich dem Feuerbrand um sie her loderte.
    Dann lag sie wiederum etwas Zeit, still zuerst mit starkem und schnellem Atem. Dann aber alsgemach fast leblos und wie eine Tote, und war es so still im Zimmer, daß ich vermeinte, mein eigen Blut zu hören. Plötzlich aber richtete sie sich auf, mit ganz großen Augen, und ihre Stimme zitterte als wie eine Windharfe, da sie mit langen und säligen Seufzern rief: ‚Sehr, seht, der Herr Jesus zu der Rechten Gottes, welch eine Herrlichkeit, die Engel beten ihn an!‘ Voller säligen Fiebers streckte sie die Hände gen Himmel und in solcher Heftigkeit, daß man vermeinte, sie auffliegen zu sehen und G. und Beat sie kaum zurückhalten konnten. Endlich schlug sie die Hände zusammen und rief laut staunende: ‚Ah, ah, ah!‘ Dann leise: ‚Es läuft alles zu ihm und fällt vor ihm nieder!‘ Darauf neigete sie ihr Haupt und lag wieder wie tot. Es hatte sich aber von der Heftigkeit und Ringen ihr Gewändlein also verschoben, daß sie halbnackt dalag mit entblößter Brust, weiß wie ein Leinwat in dem roten Haar und wie eine Ilge zart, und es wär’ ein sündhaft Schauen gewesen, hätte man nicht den Geruch der Heiligkeit so stark an ihr verspürt, darvon kein irdisch, sondern allein himmlisch Feuer entflammet und ein verklärter zu Gott gerichteter Sinn.
    So lag sie lange, schön und wundersam wie ein Engel, und glaubeten wir sie in tiefem Schlaf. Da aber Beat und G., durch ein verräterisch Geräusch vor der Tür angelocket, auf einen Augenblick das Gemach verließen, öffnete sie plötzlich die Augen, und mit einem raschen und glühenden Blick zu mir sagte sie kaum hörbar, sodaß ich mich über sie beugen gemußt: ‚Oh, du Auserwählter des Herrn, der Herr wird dir ein Zeichen geben, daß du mich allein suchest in meiner Verzückung, und werden wir selbander den Weg zur Säligkeit finden.‘ Dabei ergriff sie meine Hand, und ihre fiebrigen Finger gaben mir einen solchen Jast ins Geblüt, daß ich von einem schier schmerzhaften Schlag bis ins Herz getroffen zitternd dastand, wovon ich denn auch deutlich merkte, daß sie

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