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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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geführten Feldzüge. Die Heereshaufen wälzen sich plündernd durch das Rheintal, ziehen an Neckar und Donau entlang über Ungarn und den Balkan nach Konstantinopel und weiter in den Nahen Osten. Fast alle Kreuzzüge bringen den jüdischen Gemeinden, die auf ihrem Weg liegen, Tod und Untergang. Schon bevor das Heilige Land erreicht wird, kommen aber auch zahllose eifernde und beutesuchende Kreuzzügler um.
    Etwa zwei Jahrhunderte währt dieser Kampf um Jerusalem. Erstmals wird die Stadt 1099 von den Christen zurückerobert. Ritterorden bilden sich. Sie nennen sich die »Templer« oder die »Deutschherren«. Geführt von einem Großmeister, der nur dem Papst verantwortlich ist, geloben sie Armut und Keuschheit und schützen die christlichen Jerusalem-Pilger vor den Angriffen der muslimischen Heere. Schließlich unterliegen sie der Übermacht der Araber.
    Politische Machtansprüche, Raffgier und Fanatismus haben die Päpste und die von ihnen gesalbten Kaiser und Könige zu diesen Kriegszügen verführt. Wer also zu Beginn des 21. Jahrhunderts rat- und fassungslos den Terroranschlägen und den Universalansprüchen des islamischen Fundamentalismus gegenübersteht, sollte die eigene Geschichte, besonders die Jahrhunderte der Kreuzzüge, nicht vergessen. Das Christentum hat zweifellos das abendländische Denken tief beeinflusst. Aber wir können bei unserem Blick zurück in die Vergangenheit nicht übersehen, dass es den von ihm selbst gesetzten moralischen Ansprüchen nicht genügte. Päpste, Bischöfe und die großen christlichen Kirchenväter predigten Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Nur wenig davon ist im Leben der Völker erfüllt worden. Sicher ist es eine Utopie zu glauben, dass Gesellschaften auf solch wunderbaren und klugen Fundamenten zu existieren in der Lage sein könnten. Trotzdem bleibt die Tatsache, dass das Christentum in den zwei Jahrtausenden seiner Existenz die europäische Welt nicht befriedet hat. Das gilt nicht nur für die Zeit der Kreuzzüge. Wann immer die weltlichen Eliten im Mittelalter oder in der Neuzeit Kriege auslösten, war ihnen der Segen der Kirche gewiss.
    Schon bald nach ihrer Erhöhung zur Staatsreligion stellt die römische Kirche weitreichende weltliche Machtansprüche, die sich nicht nur in dem symbolischen |48| Akt erschöpfen, dass die Päpste den Kaisern und Königen die Krone aufsetzen. Päpste und Bischöfe fordern Geld und Land, in den Auseinandersetzungen der Könige und Fürsten suchen sie ihren eigenen Vorteil zu bewahren. Die Religionskriege der kommenden Jahrhunderte haben kaum etwas mit dem Glauben, aber umso mehr mit Machtfragen zu tun.
    Das Christentum wird im Mittelalter im Gegensatz zur biblischen Lehre, wie sie sich beispielsweise in der Bergpredigt des Neuen Testaments widerspiegelt, zu einer Gewaltreligion. Die Kreuzzüge sind dafür nur ein Beispiel. Wer als weltlicher Herrscher nicht mit päpstlichem Einverständnis handelt, muss scheitern. Wer sich der Papstkirche gar widersetzt, wer auf dem Gebiet der Wissenschaften Entdeckungen veröffentlicht, die dem Wortlaut der Schöpfungsgeschichte oder den Dogmen, den unumstößlichen Kirchenlehren, widersprechen, wird als Ketzer verbrannt. Die Inquisition – wörtlich heißt dies nichts anderes als Untersuchung – beginnt im 12. Jahrhundert ihr blutiges Werk. Häretiker, also Männer und Frauen, die von der offiziellen Kirchenlehre abweichen, werden den Kirchenbehörden übergeben, gefoltert und zum Feuertod verurteilt.
    Obwohl viele mittelalterliche Päpste und Bischöfe ein intensives Liebesleben führen, teilweise sogar entgegen dem Zölibatsgebot verheiratet sind, ist die römische Kirche sexualfeindlich. Die Lust ist Sache des Teufels, also eine Sünde, und Sex hat allein der Fortpflanzung zu dienen. In den städtischen Badehäusern des Mittelalters leben die Menschen zwar recht heiter und frivol ihre Triebe aus, aber gleichzeitig werden Frauen als Hexen denunziert und nach fürchterlicher Tortur auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Hexenverfolgung reicht bis weit in die Neuzeit hinein und zählt zu den grausamsten Kapiteln der christlichabendländischen Geschichte. Bis ins Jahr 1800 fallen ihr mehr als 70 000 Frauen zum Opfer.
    Furcht vor Höllenstrafen und Aberglaube spielen im Mittelalter eine wichtige Rolle. Die künstlerischen Darstellungen in den Kirchen und die populären Bilder der Jahrmarkterzähler sind von Brutalität geprägt. Der Kreuzestod Jesu oder die vielen Heiligen, die als Märtyrer ihres

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