Die Geschichte der Deutschen
Vorhandenen: sondern eine im höchsten Grad zusammenhängende Gedankenreihe, die bisher noch nie in eines Menschen Kopf gekommen.« Friedrich Nietzsche, zuerst Bewunderer und dann scharfer Kritiker Wagners, verheißt in seinem Buch Also sprach Zarathustra: »Ich lehre euch den Übermenschen.« Der Philosoph und Philologe Nietzsche ist nach der Jahrhundertwende einer der meistgelesenen, allerdings bald auch sehr platt interpretierten, deutschen Denker.
Das Bayreuther Musikgenie äußert sich 1866 mit einer Bemerkung der ein gewisser Größenwahn nicht fremd ist: »Wäre in Deutschland eine Spur von |150| deutschem Geist, von Achtung für Großes und Edles, so würde es nicht solch künstlicher Umwege bedürfen, um einen Mann wie mich, zwischen Fürst und Volk wirkungsvoll zu platzieren.«
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Bismarck führt Krieg gegen Frankreich – und gründet ein Reich
Als politischer Sieger aus den revolutionären Wirren von 1848/49 geht zunächst Österreich hervor. In Wien übernimmt der junge Franz Joseph I. die Kaiserkrone, und er wird mehr als ein halbes Jahrhundert das Reich der Habsburger regieren, das in seinen Herrscherjahren dem Ende entgegendämmert. Berlin versucht 1850 durch die Bildung einer »Union« eine kleindeutsche Einheit herbeizuführen, von der Österreich ausgeschlossen bleiben und Preußens angestrebte Vormacht in Deutschland abgesichert werden soll. Gemeinsam mit Sachsen und Hannover schließt Friedrich Wilhelm ein Dreikönigsbündnis, das sich in Erfurt auf eine Reichsverfassung einigt. Österreich ist alarmiert und tritt den preußischen Plänen energisch entgegen. Ein Fürstenkongress in Berlin kann sich zwar auf keinen Unionsvertrag einigen, aber Wien beruhigt das nur wenig. Als es in Kurhessen zu einem Verfassungsstreit kommt, in den Preußen eingreifen will, und Berlin Holstein im Konflikt mit Dänemark erneut unterstützt, droht der Ausbruch eines Krieges zwischen Österreich und Preußen. Friedrich Wilhelm weicht zurück, verzichtet auf eine Intervention in Kurhessen und gibt seine Unionspolitik auf. Bei den Verhandlungen im mährischen Olmütz kapituliert Preußen und akzeptiert die Forderungen Österreichs. Ein Krieg ist vermieden worden, aber Berlin wird in den kommenden Jahren den Namen Olmütz als Symbol einer politischen Demütigung beklagen.
In den nächsten zehn Jahren bestimmt erneut Wien die Politik in Deutschland. Im Frankfurter Bundestag führt der österreichische Gesandte das Wort und sein preußischer Kollege nickt freundlich. Der Ruf nach der Gründung eines einheitlichen Reiches erhebt sich aber immer lauter. Als sich 1859 Friedrich Schillers 100. Geburtstag jährt, feiert ganz Deutschland seinen Nationaldichter mit patriotischen Großveranstaltungen. Zwei Jahre vorher reimt der Dichter und Dramatiker Friedrich Hebbel spöttische Verse über die deutsche Kleinstaaterei: »Es flog in X. mein Hut mir ab, / Natürlich über die Grenze, / Und als ich, ihn wieder zu holen lief, / Da gab’s vertrackte Tänze. / Ich durfte den deutschen |151| Nachbarstaat / Nicht ohne Paß betreten, / Und da ich bloß spazieren ging, / So hatt’ ich mir keinen erbeten.« Am Ende nutzt ihm auch der nicht: »Was half mir nun der gute Paß,/ den ich in X. genommen? / Zehn neue braucht’ ich in Einem Tag, / Da war nicht nachzukommen.« Die nationalen Sehnsüchte, die sich auch in den vielen ironischen, bitteren und patriotischen Gedichten, Schriften, Zeitungsartikeln oder Landtagsdebatten bemerkbar machen, sie können nur von Preußen erfüllt werden.
Österreich wird durch seine Verwicklungen im Krim-Krieg geschwächt, an dem es sich 1854 an der Seite Englands und Frankreichs leichtfertigerweise beteiligt. Es geht um Konflikte zwischen Konstantinopel und St. Petersburg, und die europäische Koalition stützt die Türken, um den Zaren nicht zum Erben des sterbenden Osmanischen Reiches werden zu lassen. Auch in seinen italienischen Regionen gerät Wien in die Defensive. In Italien herrscht wie in Deutschland nationale Begeisterung. 1859 wird das österreichische Heer bei Solferino, einer kleinen Stadt in Oberitalien, von den verbündeten Armeen der Franzosen und des piemontesischen Königreichs geschlagen. Wien verliert die Lombardei, Modena und die Toskana. Zwei Jahre später wird das Königreich Italien gegründet. In der Schlacht von Solferino ist übrigens ein Schweizer dabei. Er ist so entsetzt von dem Gemetzel auf dem Schlachtfeld, der Hilflosigkeit der Verwundeten und
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