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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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Verstümmelten, dass er beschließt, eine Hilfsorganisation ins Leben zu rufen. Der Mann heißt Henri Dunant. In seiner Heimatstadt Genf gründet er das Rote Kreuz.
    Preußens neuerlicher Aufstieg ist so auch die Folge der Überstrapazierung der österreichischen Kräfte. Die Niederlagen in Italien zeigen dies schon sehr früh. Das Reich der Habsburger ist ein Vielvölkerstaat, in dem Ungarn, Tschechen, Polen, Slowaken, Serben, Kroaten, Bulgaren, Rumänen, Italiener und Deutsche leben. Alle diese Völker sind vom nationalistischen Bazillus infiziert. Sie fordern kulturelle Freiheit, die Anerkennung ihrer Sprache in den Behörden und Ämtern, sie schaffen eine eigene Nationalliteratur und eine eigene Nationaloper. Bald wollen sie ihren eigenen Staat. Es fällt Wien immer schwerer, diese nationalen Bewegungen in Schach zu halten. Sturmzeichen werden sichtbar, die dann im neuen Jahrhundert zum Orkan werden.
    Auch die Wirtschafts- und Handelspolitik wird Berlins Position allmählich wieder stärken. Hannover und andere norddeutsche Territorien schließen sich dem von Preußen geführten Zollverein an. Österreich hat kaum noch Chancen, wirtschaftlich Anschluss zu halten, denn auf dem Balkan oder im Armenhaus Galizien bleiben die Uhren stehen. Ganz anders in Deutschland. Die industrielle |152| Entwicklung, vor allem in den zu Preußen gehörenden wirtschaftlichen Zentren an Rhein und Ruhr und in Oberschlesien, gewinnt an Schwungkraft. 1850 umfasst der Eisenbahnverkehr bereits 7 123 Streckenkilometer. Schon in den vierziger Jahren steigt der Personenverkehr von 62 Millionen Kilometer auf 782 Millionen, der Güterverkehr von 3,2 Millionen auf 302 Millionen. Am Ende des Jahrzehnts sind 178 000 Menschen im deutschen Eisenbahnbau beschäftigt. 1843 baut August Borsig in Berlin seine erste Lokomotive. Kommen in diesem Jahr noch 88 Prozent der in Deutschland eingesetzten Lokomotiven aus England, stammen 1850 bereits zwei Drittel aus deutschen Maschinenbaufabriken. Eisenwalzwerke müssen den dadurch sprunghaft ansteigenden Bedarf an Stahl stillen. Die Eisenbahn wird mit Kohle betrieben. Es entstehen die großen Kohlebergwerke an der Ruhr, an der Saar und in Oberschlesien. 1838 reist der junge Alfred Krupp nach England in das Eldorado der Industriellen Revolution. Als er zurückkommt, beginnt der sagenhafte Aufstieg der Krupp-Dynastie. Der Sitz ihres Stahlwerkes liegt im Ruhrgebiet.
    In Berlin übernimmt 1857 Prinz Wilhelm die Regentschaft. Sein Bruder, König Friedrich Wilhelm IV., ist geistig erkrankt und unfähig, seinen Aufgaben weiterhin nachzukommen. Der neue Mann an der Staatsspitze ist ein überzeugter Konservativer. Als im März 1848 die Berliner Demonstranten vor das Schloss marschieren, ist er auf königlichen Befehl zunächst nach Spandau und dann ins Exil nach England geflohen. Beim Niederschlagen der Aufstände in der Pfalz und in Baden im Sommer 1849 hat Wilhelm die preußischen Truppen angeführt. Sein hartes Vorgehen trägt ihm den Namen »Kartätschenprinz« ein. Kartätschen sind mit Blei gefüllte Artilleriegeschosse und Prinz Wilhelm hat sie in Baden mit rücksichtslosem Eifer eingesetzt. Mit der Übernahme der Regentschaft durch Wilhelm können sich also die konservativen Kräfte im Land mit Recht gestärkt sehen. Ihre Führer sitzen auf den ostpreußischen Gütern und stellen die Spitze der preußischen Beamtenschaft und der Armee.
    Wilhelm ist ein begeisterter Militarist. Sein wichtigstes politisches Ansinnen ist die Stärkung des Heeres. 1860 bringt Kriegsminister Albrecht von Roon eine entsprechende Heeresvorlage ein, die vom Parlament gebilligt werden muss. Die liberale Mehrheit der Abgeordneten fordert als Ausgleich für die Erhöhung der Militärausgaben verstärkte Rechte des Parlaments bei der Verabschiedung des Landeshaushaltes und den Verzicht auf eine dreijährige Dienstzeit für Wehrpflichtige. Wilhelm weigert sich, auf diesen Handel einzugehen und Preußen steckt in einer schweren Verfassungskrise. Als sich nach zwei Jahren immer noch keine Lösung abzeichnet, Wilhelm lieber zurücktreten als nachgeben will, |153| schlägt die Stunde des Otto von Bismarck. Bekannt als ziemlich rüde auftretender Gesandter im Frankfurter Bundestag und wortgewaltiger Anhänger einer aggressiven und autoritären Staatsauffassung scheint er Preußens Konservativen in diesem schwierigen Augenblick der richtige Mann, um mit der liberalen »Kanaille« aufzuräumen und die Verfassungskrise zu beenden. Wenn es sein muss,

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