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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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deutsch-englischen Beziehungen nicht gerade dienlich.
    Das wilhelminische Reich ist nicht untergegangen, weil sein Kaiser Wilhelm II. gewesen ist. Aber der letzte deutsche Monarch ist mitschuldig an den Ereignissen, die zum 1. August 1914 geführt haben. Einsichtiger ist er auch in den 23 Jahren seines Exils nicht geworden. Am 9. November 1918 flieht er nach Holland. Die Republik lässt den Hohenzollern ihr Vermögen, und so kann sich der abgedankte Kaiser in Doorn ein Schloss kaufen, in dem er bis zu seinem Tod lebt. Er wird dort immer noch die »linken Vaterlandsverräter« und die »jüdische Weltverschwörung« für die Kriegsniederlage und den Verlust seines Thrones verantwortlich machen. Schon am 2. Dezember 1919 schreibt er an den ehemaligen Generalfeldmarschall August von Mackensen: »Die tiefste, gemeinste Schande, die je ein Volk in der Geschichte fertig gebracht, die Deutschen haben sie verübt an sich selbst. Angehetzt und verführt durch den ihnen verhassten Stamm Juda, der Gastrecht bei ihnen genoss! Das war sein Dank! Kein Deutscher vergesse das je, und ruhe nicht, bis nicht diese Schmarotzer vom deutschen Boden vertilgt und ausgerottet sind! Dieser Giftpilz am deutschen Eichenbaum!« Für seine einstigen Untertanen hat er nur noch Verachtung übrig: »Das deutsche Volk ist eine Schweinebande, möge am Tag der Vergeltung kein Schuss fehlgehen.« Als Hitler an die Macht kommt, hofft er auf eine Wiedererrichtung der Monarchie in Deutschland. Den Judenhass der Nationalsozialisten teilt er. Hermann Göring ist Gast auf Schloss Doorn und der Kaisersohn August Wilhelm trägt SA-Uniform. Das Werben des Ex-Kaisers um die Gunst der Nazis hilft ihm nicht. Trotzdem schreibt er begeistert an den Führer, als die deutsche Armee Frankreich besiegt und in Paris einmarschiert.
    Ein verbitterter, zunehmend vereinsamender Mann lebt in Doorn. Tag für Tag hackt er im Schlosspark riesige Mengen Holz, frönt seiner Jagdleidenschaft und gibt sich seinen dunklen Gedanken über das Scheitern seiner Herrschaft hin. Als er am 4. Juni 1941 stirbt, interessiert das nur noch wenige.
    |179| Der Anfang sieht noch glanzvoll und erfolgreich für den jungen Kaiser aus. Der greise Reichskanzler Otto von Bismarck weiß natürlich, dass er mit dem Tod Wilhelms I. die entscheidende Stütze seiner Macht verloren hat. So zynisch es klingt: Zunächst ist er erleichtert, als er von der tödlichen Krankheit des Thronfolgers erfährt. Friedrich III. vermittelt zwar häufig zwischen seinem Vater und dem Kanzler, wenn es wieder einmal zum Streit kommt. Aber Bismarck ist nicht entgangen, wie sehr ihn die Kronprinzessin ablehnt. So setzt er seine Hoffnung auf den Enkel Wilhelm, dessen Thronbesteigung unmittelbar bevorsteht. Bismarck versucht die Bewunderung des jungen Mannes für seine Pläne zu nutzen und beginnt schon früh, das Gespräch mit ihm suchen. Aber allein der gewaltige Altersunterschied – Wilhelm ist 29 Jahre alt, Bismarck 73 – lässt wenig Gutes erwarten. Unmittelbar nach der Thronbesteigung soll Wilhelm gegenüber Freunden die Bemerkung gemacht haben: »Sechs Monate will ich den Alten verschnaufen lassen, dann regiere ich selbst.«
    Bei der Reichstagseröffnung zehn Tage nach seinem Machtantritt erklärt der Kaiser, entsprechend der christlichen Sittenlehre wolle er den »Schwachen und Bedrängten« Schutz gewähren: »Ich hoffe, dass es gelingen werde, auf diesem Weg der Ausgleichung ungesunder gesellschaftlicher Gegensätze näher zu kommen.« Bismarck registriert solche Ankündigungen mit einem ärgerlichen Kopfschütteln. Der Machtkampf zwischen Kaiser und Kanzler scheint unabwendbar.
    Ende April 1889 legen die Grubenarbeiter in Bochum die Arbeit nieder. Es geht um Lohnstreitigkeiten. Die Streikbewegung weitet sich aus und erreicht auch die Kohlereviere in Schlesien und an der Saar. Mitte Mai streiken 90 Prozent aller deutschen Bergleute. Die Regierung setzt Polizei und Militär ein, die vorschnell und gewaltsam gegen die Streikenden vorgehen. Mindestens 15 Personen sterben. Bald tauchen rote Fahnen auf. Bismarck wittert seine Chance, die Ängste des Bürgertums für den eigenen Machterhalt instrumentalisieren zu können. Die Eskalation des Konflikts will er nutzen, um eine Mehrheit für die Beibehaltung seines konservativ-autoritären Kurses zu gewinnen. Der Streik der Bergleute, so der Kanzler, zeige die Gefahr, die von der SPD, der »Umsturzpartei«, ausgehe. Es sei notwendig, die Sozialistengesetze zu verlängern. Der

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