Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
auf; und bei jenem Überfall wurde er von einem vergifteten Ork-Pfeil getroffen und zu Tode verwundet ins Lager zurückgebracht. Aber Beleg heilte ihn von jener Wunde. Und nun wuchs der Hass, den Mîm gegen Beleg hegte, noch mehr, denn dieser hatte so seinen Fluch entkräftet. »Aber er wird ihn eines Tages noch ereilen«, sagte Mîm.
In jenem Jahr lief weit und breit in Beleriand, über Wald und Fluss und durch die Hügelpässe ein Flüstern um, der Helm und der Bogen, die in Dimbar gefallen waren (wie man glaubte), seien unverhofft wieder auferstanden. Da fassten viele, Elben wie Menschen, die führerlos und entrechtet, doch unbezwungen waren, Überlebende der Schlacht und der Niederlage und von verheerten Landen, neuen Mut, und sie kamen, um sich den Zwei Hauptleuten anzuschließen, auch wenn noch keiner wusste, wo sie ihre Burg hatten. Túrin nahm mit Freuden alle auf, die zu ihm kamen, doch auf Belegs Rat hin gewährte er keinem Neuankömmling Zutritt zu seinem Versteck auf dem Amon Rûdh (das nun Echad i Sedryn, Lager der Getreuen, genannt wurde); den Weg dorthin kannten nur die Mitglieder der alten Bande, und niemand sonst wurde eingeweiht. Doch in der Umgebung wurden weitere bewachte Lager und Außenposten angelegt: im Wald auf der Ostseite, in den Hochländern oder in den südlichen Mooren, vom Methed-en-Glad (dem »Wald-Ende«) südlich der Teiglin-Stege bis zum Bar-erib, einige Meilen südlich des Amon Rûdh, in dem einst fruchtbaren Land zwischen dem Narog und den Sirion-Sümpfen. Von allen diesen Orten aus konnten die Männer den Gipfel des Amon Rûdh sehen und durch Signale Nachrichten und Anweisungen empfangen.
Noch ehe der Sommer vorüber war, war Túrins Gefolgschaft auf diese Weise zu einer großen Streitmacht herangewachsen, und der Ansturm Angbands wurde zurückgeworfen. Die Kunde davon drang sogar bis nach Nargothrond, und viele wurden unruhig und sagten, wenn schon ein Geächteter dem Feind solche Verluste zufügen könne, was könne dann erst der Herr von Narog bewirken. Aber Orodreth, der König von Nargothrond, wollte seine Pläne nicht ändern. In allen Belangen folgte er Thingol, mit dem er auf geheimen Wegen durch Boten Verbindung hielt; und er war ein kluger Herrscher nach der Weisheit jener, die zuerst an ihr eigenes Volk dachten und wie lange es sich Leben und Wohlergehen gegen die Gier des Nordens bewahren könne. Deshalb gestattete er niemandem aus seinem Volk, sich Túrin anzuschließen; und er sandte Boten zu ihm, durch die erihm sagen ließ, er solle bei allem, was er in seinem Krieg tue oder plane, den Fuß nicht nach Nargothrond setzen oder die Orks dorthin lenken. Doch bot er den Zwei Hauptleuten an, sie nicht mit Waffen, aber in anderer Hinsicht zu unterstützen, falls sie dessen bedürften (und dazu wurde er, so heißt es, durch Thingol und Melian bewogen).
Darauf hielt Morgoth seine Hand zurück; auch wenn er zahlreiche Scheinangriffe durchführte, in der Absicht, das Selbstvertrauen dieser Rebellen durch leichte Siege ins Übermaß wachsen zu lassen. So erwies es sich in der Tat. Denn Túrin gab dem ganzen Gebiet zwischen dem Teiglin und der Westgrenze von Doriath nun den Namen Dor-Cúarthol, und indem er die Herrschaft darüber beanspruchte, gab er sich einen neuen Namen, Gorthol, der Schreckenshelm, und sein Sinn stand wieder hoch. Beleg aber erschien es nun, dass der Helm eine andere Wirkung auf Túrin ausübte, als er gehofft hatte; und wenn er in die Zukunft blickte, war ihm schwer ums Herz.
Eines Tages, als der Sommer ins Land gezogen war, saßen Túrin und er in der Echad und ruhten sich nach einem langen Feldzug und Marsch aus. Da sagte Túrin zu Beleg: »Warum bist du so traurig und nachdenklich? Hat nicht alles einen guten Verlauf genommen, seit du zu mir zurückgekehrt bist? Hat sich mein Plan nicht als erfolgreich erwiesen?«
»Im Augenblick ist alles gut«, sagte Beleg. »Noch sind unsere Feinde überrascht und eingeschüchtert. Und es liegen noch gute Tage vor uns – für eine gewisse Zeit.«
»Und was dann?«, fragte Túrin.
»Winter«, sagte Beleg. »Und danach ein neues Jahr, zumindest für jene, die noch am Leben sind.«
»Und dann?«
»Der Zorn Angbands. Wir haben nur die Fingerspitzen der Schwarzen Hand versengt – mehr nicht. Sie wird sich nicht zurückziehen.«
»Aber ist der Zorn Angbands nicht unser Ziel und unsere Freude?«, sagte Túrin. »Was sonst soll ich deiner Meinung nach tun?«
»Das weißt du sehr wohl«, erwiderte Beleg.
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