Die Geschichte eines schoenen Mädchens
in der Mitte der Rotunda. »Sag etwas«, flüsterte Lynnie.
Kate zog eine Grimasse, als würde sie eine ganze Liste von Worten durchgehen, um sich eines auszusuchen.
Lynnie fügte hinzu: »Sag es laut.«
Kate nickte. »Ich bin so stolz auf dich, Lynnie.«
Lynnie lächelte und wünschte fast, sie könnte Kate in die Augen schauen. Stattdessen forderte sie: »Lauter.«
»Ich bin so stolz auf dich.«
»Lauter!« Lynnie kicherte in einer Lautstärke, die Caitlin als unpassend bezeichnen würde.
»Lynnie macht mich stolz!«, schrie Kate.
Endlich erzielten ihre Worte die gewünschte Wirkung. Kates Stimme hallte wider und wurde so kräftig, dass sie unter Kates und Lynnies Füße zu fegen und sie beide in die Luft zu heben schien.
Kate lachte, und sie drückten sich die Hände. Die Leute drehten sich nach ihnen um, aber weshalb sollte sich Lynnie darum scheren? Sie war mit einer ihrer Lieblingsfreundinnen zusammen an ihrem Lieblingsort und führte ihr etwas vor, was sie ganz allein herausgefunden hatte. Was konnte schöner sein?
Kate hatte nie an einer Konferenz derer, die ihre Interessen selbst vertraten, teilgenommen, und auf dem Bankett am gestrigen Abend war sie ausgelassen und vergnügt gewesen. Im Ballsaal hatte sie Leute begrüßt, die sie alsehemalige Insassen oder Kollegen aus der Schule wiedererkannte. Sie hatte sich auch lange mit Doreen unterhalten, bevor der DJ Platten auflegte. Doreen hatte ihr erzählt, was vor ein paar Jahren vorgefallen war. Eines Tages, so berichtete sie, kam der Postbote mit einem Brief, dessen Erhalt Doreen mit einer Unterschrift bestätigen musste, in die Wohngruppe. In dem Brief stand, dass Doreens Vater gestorben sei und ihr viel Geld hinterlassen habe. »Juhu!«, kreischte Doreen und machte Freudensprünge. »Disney World, ich komme!« Einen Haken hatte die Sache jedoch: Es stellte sich heraus, dass der Staat sie nach dem Geldsegen nicht mehr unterstützte; aus diesem Grund konnte BridgeWays nichts mehr für sie tun, und sie musste die Wohngruppe verlassen. »Aber das Problem ist längst gelöst«, schrie Doreen, um »Everybody Dance Now« zu übertönen. Doreen hatte sich ein eigenes Haus gekauft und selbst eine Betreuerin und andere Leute eingestellt, die ihr halfen. »Jetzt muss ich mich nicht mehr an dämliche Regeln halten oder über Wichtigtuer ärgern.«
»Das ist echt großartig«, sagte Kate.
Dann zerrte Doreen in ihrem silbernen Lamékleid Kate und Lynnie auf die Tanzfläche. Als sie später lachend und erhitzt auf ihre Zimmer gingen, wünschte Lynnie, Kate hätte vor der Anhörung am nächsten Tag nichts anderes zu tun.
Als Kate in der letzten Woche angerufen und ihren Besuch in Pennsylvania angekündigt hatte, hatte sie auch von Clarence’ Beichte erzählt. »Es ist schon lange her«, sagte Kate, »aber Smokes sollte zur Rechenschaft gezogen werden.«
Es war auch schon lange her, dass das Knurren eines Hundes Lynnie in diese schreckliche Nacht zurückversetzt hatte. Kate erklärte ihr, dass Lynnie nur Gerechtigkeit widerfahren würde, wenn sie vor Gericht als Zeuginaussagte und die Ereignisse der Nacht so genau wie möglich schilderte. Lynnie antwortete, dass allein der Gedanke, so etwas zu tun, für sie unerträglich wäre, und obwohl Kate anfangs verärgert über diese Absage war, lenkte sie schließlich ein. Aber, sagte sie, sie wolle Smokes, der außerhalb von Harrisburg lebte, aufsuchen und ihm ins Gesicht sagen, dass sie wusste, was er getan hatte.
»Das möchte ich auch«, sagte Lynnie und schlug vor, dass sie sich direkt in Harrisburg trafen, weil sie ohnehin wegen der Konferenz hinfahren musste.
Kate war am Abend mit dem Flugzeug angekommen, und nun fuhren sie gemeinsam zu Smokes’ Adresse.
Kate hatte sie gebeten, eine Kassette mit ihren Lieblingssongs und ihren Rekorder mitzunehmen, den sie mit selbst verdientem Geld gekauft hatte. Und diese Kassette hörten sie nun im Auto: Gloria Estefan, Jon Bon Jovi, Phil Collins, The Bangles. Kate hatte auch eine Kassette mit der Musik dabei, die sie mochte, und schlug vor, dass sie sich die auf der Rückfahrt anhörten.
»Darf ich das später entscheiden?«, fragte Lynnie. »Vielleicht bin ich ja auch zu aufgeregt dafür.«
»Klar. Vergiss nicht, du kannst immer noch einen Rückzieher machen. Ich kehre sofort um, wenn du willst.«
»Nein, ich will das machen.«
»Warum?«
»Das, was er getan hat, war schlimm, und das möchte ich ihm klarmachen.«
Dem nächsten Lied hörten sie schweigend zu, dann
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