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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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wechseln, hatte das Baby ruhig geschlafen. Als Martha den Korb hochhob, klärte sich ihre Sicht, und sie sah, was sie immer gesehen hatte, doch diesmal mit anderen Augen.
    Die Arme fest um den Korb gelegt, kam Martha auf dem Weg zu Evas Hintertür an zwei Kindern vorbei. Sie trugen gelbe Regenjacken und Gummistiefel und lachten über einen kleinen Hund, der mit ihnen durch die Pfützen sprang. Zum ersten Mal in ihrem Leben war Martha beeindruckt, wie unbeschwert Kinder im Freien spielten. Sie schaute zu dem silbergrauen Himmel auf. Irgendwo unter diesem Himmel war Lynnie, und an einem anderen Ort befand sich die Leiche des Mannes. Martha hatte noch nie Kinder in Pfützen spielen gesehen. Aber bisher hatte sie auch nie darauf geachtet.
    Über der Hintertür stand: Hansberry Pharmacy – Lieferanteneingang. Martha betrat die kleine Rampe und drückteauf den Klingelknopf. Sie hörte Stimmen im Haus. Ihr war zumute wie am ersten Schultag nach den großen Ferien, wenn sie vor dem Klassenzimmer stand und die Kinder am anderen Ende des Korridors ins Gebäude strömten. Heute würde es allerdings kein »Guten Morgen, Kinder« oder »Willkommen in der fünften Klasse« geben. Sie fühlte sich, als wäre sie der Worte beraubt wie Lynnie.
    Die Tür ging auf.
    Eva strich die dunklen Strähnen zurück, während sie die Gestalt vor der Tür in Augenschein nahm. Ihr Gesicht war gerötet, und für einen Moment schien es, als wäre sie so von ihren Pflichten beansprucht, dass sie nicht wusste, wo sie das Gesicht, das sie betrachtete, einordnen sollte. Aber dann fing sie sich. » Mrs. Zimmer? «, fragte sie.
    Martha öffnete den Mund, brachte jedoch kein Wort heraus.
    »Was …«, begann Eva, dann erkundigte sie sich: »Ist alles in Ordnung?«
    Nein, wollte Martha antworten. Es gab so vieles, was nicht in Ordnung war, was sie nicht wusste, aber wissen sollte. Stumm stand sie da.
    In dem Schweigen trübte sich Evas Gesicht vor Sorge. Sie senkte den Blick, um den Grund für das Unbehagen ihrer alten Lehrerin herauszufinden. Ihr Blick fiel auf den Korb, und sie riss die Augen auf.
    Sie sah ihre Lehrerin wieder an und sagte: »Bitte, kommen Sie rein.«
    Im Lagerraum bot Eva Martha einen Platz an dem Resopaltisch an, an dem der Hansberry-Junge oft seine Hausaufgaben machte und Eva eine in der kleinen Küchenzeile zubereitete Mahlzeit servieren konnte, ohne hinauf in ihre Wohnung laufen zu müssen. Sie setzte Wasser auf, und Martha zwang sich, ihr zu erzählen, was sich seit gesternAbend ereignet hatte. Evas Blick war mitfühlend, doch dann hörte sie die Ladenglocke und verschwand durch die Schwingtür, um den Kunden zu bedienen. Nun wusste Martha, warum so viele Mädchen in der achten Klasse Eva als Vertraute auserkoren hatten. Sie war sanftmütig und eine gute Zuhörerin, die keine voreiligen Urteile fällte.
    Martha hörte erneut die Glocke, und Eva kehrte zurück. »Ich habe das Geschlossen-Schild an die Tür gehängt«, sagte sie. Sie spürte Marthas Not und nahm ihr das Baby ab. Während sie das kleine Gesicht betrachtete, erklärte sie, dass Don ein Medikament an ein älteres Ehepaar am anderen Ende der Stadt auslieferte, jedoch jeden Moment zurück sein würde. Wollte Martha das Kleine vor ihm verstecken?
    »Nein, er kann alles wissen«, erwiderte Martha.
    »Dann darf ich sie baden?«, wollte Eva wissen. Zum ersten Mal, seit Lynnie und Nummer Zweiundvierzig am Abend zuvor an ihre Tür geklopft hatten, schossen Martha die Tränen in die Augen.
    Eva fragte nicht danach, was Martha vorhatte, während sie eine kleine Wanne suchte und am Spülbecken mit Wasser füllte. Behutsam wusch sie dem Kind die letzten Spuren der Geburt ab. Sie beschrieb, was sie tat, und lud Martha ein, auch die Hände ins Wasser zu tauchen. Die Tränen der alten Frau versiegten.
    Nachdem sie Windeln, Babykleidung aus Flanell und Milchpulver aus dem Laden geholt hatte, wiegte Eva die Kleine in den Armen. »Ich weiß nicht, was ich an Ihrer Stelle getan hätte, Mrs. Zimmer.«
    Martha hob an, um ihr zu sagen, dass sie nur das gemacht hatte, was sie für richtig hielt. Doch in diesem Augenblick kam Don durch die Hintertür herein. Don war groß gewachsen, hatte rötlich blondes Haar und einenBart. Er bedachte Eva mit einem fragenden Blick, und sie bat ihn, sich zu ihnen zu setzen. Martha hörte zu, wie Eva ihrem Mann erzählte, was passiert war. Ich bin nicht mehr allein in dieser Sache , dachte Martha. Erst jetzt, als sich die Erleichterung breitmachte, erkannte

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