Die Geschichte eines Sommers
absoluter Idiot sein müsse. Es war einfach lächerlich, dass er hier blieb, wenn es nichts weiter zu tun gab, als Bootsie Phillips beim Schlafen zuzusehen, er dabei kein Geld verdiente und nur deshalb nicht jagen gehen konnte.
Da er Bootsie nicht aufwecken wollte, weil der dann betrunken nach Hause gefahren wäre, nahm Toy einen alten Mantel seines Vaters vom Garderobenständer neben der Tür, der dort hing, seit John ihn dorthin gehängt hatte, und deckte Bootsie damit zu. Dann schaltete er das Licht aus, verließ die Bar und schloss Bootsie ein.
Einen Moment lang blieb er draußen auf dem Hof stehen und atmete die Luft ein, die nach feuchter Erde und Herbst roch. Er fragte sich, warum Menschen überhaupt Häuser bewohnten. Er jedenfalls könnte gut ohne Wände auskommen, und dass er im Augenblick keine um sich herum hatte, machte ihn so froh, dass er innerlich bebte.
Ras Ballenger saß in seinem Truck und stellte sich vor, was es für ein Gefühl sein würde, wenn er seine Rechnung mit dieser Sippschaft dort drüben endlich beglichen hätte. Sie hatten sein Geschäft ruiniert, seinen Sohn gestohlen und ihn wie einen Schwachkopf dastehen lassen. Für all das würden sie bezahlen – und zwar teuer. Er hatte seinen Plan genau durchdacht, es galt nur noch, den richtigen Zeitpunkt abzupassen.
Die Bar konnte er nicht sehen, weil sie sich auf der Rückseite des Hauses befand, aber er konnte den gedämpften Lichtschein erkennen, der auf den Hof fiel. Er beobachtete, wie die Gäste kamen und gingen, bis alle wieder fort waren. Als in den frühen Morgenstunden das Licht erlosch, wurde Ras Ballenger plötzlich hellwach und wunderte sich, was das wohl zu bedeuten haben mochte. Er hatte noch nie gesehen, dass der Hof der Moses im Dunkeln lag. Nicht ein einziges Mal.
Da es frühestens in einer Stunde hell werden würde, überlegte er, ob er hinübergehen und ein bisschen herumschnüffeln sollte. Vielleicht könnte er sich ja seinen Sohn schnappen und mit ihm verschwinden. Mal sehen, wie sicher sich diese Schweinehunde noch fühlten, wenn sie morgen aufwachten und feststellten, dass das Kind, das ihnen nicht gehörte, nicht mehr da war.
Während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, blinkte neben dem Haus ein Licht auf. Die Innenbeleuchtung von Toys Truck. Plötzlich waren der Wagen und Toy Moses im Dunkeln zu erkennen. Ras beobachtete, wie der große Mann sein Gewehr aus der Halterung nahm und dann hinter den Sitz griff, um eine Weste hervorzuholen, die er anzog. Es war eine Jagdweste, das erkannte Ras sofort. Die Wagentür fiel zu, und einen Moment lang lag der Hof wieder im Dunkeln. Dann flammte eine Taschenlampe auf, deren Lichtstrahl sich auf und ab wippend vom Haus fortbewegte. Den Rest reimte sich Ras zusammen. Toy Moses verließ den Hof, um in den Wald zu gehen, das Gewehr hing über seiner Schulter. SeinGewehrseinGewehrseinGewehr. Die Worte schwirrten Ras Ballenger summend und brummend im Kopf herum, und plötzlich war ihm sonnenklar, dass er jetzt sofort Rache nehmen und seinen ursprünglichen Plan später immer noch in die Tat umsetzen könnte. Seine Rache wäre kinderleicht und doppelt so süß.
Der Bach floss in zahlreichen Windungen durch die Weide der Moses. In den Schleifen berührte er im Osten immer mal wieder das Grundstück der Ballengers und im Norden das der Hempstead-Farm. Der Bach war wie eine kleine dünne Schlange, die sich schlängelnd fortbewegte.
Toy ging nach Süden, nicht direkt am Bach entlang, aber doch so, dass er ihn immer im Blick hatte. Vor Sonnenaufgang konnte man sich leicht in einem tiefen Wald verlaufen. Selbst in einem Wald, den man kannte, wenn man nicht ständig darauf achtete, auf welcher Seite des Baches man sich befand und in welche Richtung das Wasser floss. Natürlich hätte er irgendwie wieder hinausgefunden, das war nicht das Problem, vielmehr ging es darum, dass diese Minuten Zeit waren, die er sich gestohlen hatte. Kostbare Zeit, die Toy voll auskosten wollte. Er wollte sich so frei fühlen wie das Wasser im Bach. Und wenn die Morgendämmerung sich am Himmel ausbreitete, was bald geschehen würde, wollte er sie einfach nur in vollen Zügen in sich aufsaugen. Er war nicht hier, um Wild zu jagen, wusste eigentlich gar nicht, weshalb er das Gewehr mitgenommen hatte. Für Toy glich es einem religiösen Erlebnis, in der Natur zu sein. Die Natur reinigte seine Seele und heilte seinen Schmerz.
Ungefähr zur gleichen Zeit, als Toy die erste große Windung des Baches
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