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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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hatten drei kräftige Farmersjungen Noble bedrängt und ihn aufgefordert, ihre Stiefel zu lecken oder sie zu essen. Wie er wolle.
    »Sie haben gesagt«, Swan war ganz aufgeregt, »›Du kannst sie lecken oder essen. Wie du willst.‹ Und Noble hat gesagt: ›Habt ihr auch etwas Salz dazu?‹«
    Sie fing schallend an zu lachen und schlug so laut auf den Tisch, dass das Geschirr klapperte. »Ich schwör’s«, johlte sie. »Das hat er wortwörtlich gesagt.« Sie versuchte ihre Stimme so tief und – nun ja – so cool klingen zu lassen wie die von Noble. »Er hat gesagt: ›Habt ihr auch etwas Salz dazu?‹ Genau so.«
    Außer Samuel hatten alle die Geschichte bereits mehrmals gehört und lachten ebenfalls. Außer Noble natürlich. Er saß seinem Vater gegenüber und war fast so lädiert wie bei der ersten Schlägerei, genoss aber sichtlich das Lob der fast gesamten Familie.
    Samuel betrachtete die fröhlichen Gesichter um sich herum und hörte schweigend zu.
    »Und dann sind sie auf ihn los«, verkündete Bienville. Diese Geschichte war einfach zu gut, um sie Swan allein zu überlassen.
    Blade sprang vom Tisch auf und tat so, als wäre er Noble, der den Farmersjungen auswich. »Aber er war nicht da!«, jubelte er und tanzte und sprang herum. »Die sind alle gegeneinandergeknallt.«
    »Und wie«, sagte Bienville.
    »Am Ende war Noble der Einzige, der noch auf seinen Füßen stand«, prahlte Swan.
    Blade tat so, als wäre er ein Farmersjunge, der umfiel und sich vor Schmerzen krümmte.
    »Blade, komm wieder an den Tisch«, sagte Samuel.
    Blade setzte sich rasch wieder auf seinen Stuhl. Samuel sah Noble an. Einzig und allein Noble. »Offenbar fühlst du dich richtig gut?«
    »Es ist ja nicht so, als hätte er angefangen«, sagte Swan. »Aber wenn drei gegen einen …«
    Samuel hob einen Finger in ihre Richtung, um sie zum Schweigen zu bringen, wandte den Blick aber nicht von seinem Ältesten ab.
    »Wäre es dir lieber, ich hätte ihre Stiefel geleckt?«, fragte Noble. Noch nie hatte er in diesem Ton mit seinem Vater geredet.
    »Ich meine, du hättest sie nicht anstacheln sollen.«
    »Sie kamen auf mich zu , Daddy. Die Bemerkung mit dem Salz hat sie nur kurz abgelenkt. Die hat mir einen Vorteil verschafft. Nicht wahr, Onkel Toy?«
    Samuels Gesicht erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde. Selbst seine Augen bewegten sich nicht. Dann sah er Toy an, der ungerührt zurückblickte.
    »Ich hab dem Jungen nur ein paar Tipps gegeben«, sagte Toy schließlich.
    Alle hielten die Luft an, ihre Augen ruhten auf Samuel. Jetzt verstand er. Dass man ihn ausgeschlossen und sich über ihn hinweggesetzt hatte. Selbst Willadee. Plötzlich hatte er das Gefühl, als befände er sich in einem Raum voller Fremder. Es fiel ihm ungeheuer schwer, dort sitzen zu bleiben. Dort sitzen zu bleiben und sich nutzlos, unfähig und betrogen zu fühlen.
    Am liebsten hätte er ihnen voller Bitterkeit erklärt, es sei gut, endlich zu wissen, wie viel seine Meinung zählte. Hätte am liebsten wie früher seinem Jähzorn freien Lauf gelassen. Wollte einfach hinausgehen. Doch all das konnte er weder sagen noch tun, denn was auch immer er in diesem Augenblick sagte oder tat, alles würde darüber Aufschluss geben, ob das, was er zuvor zu Noble gesagt hatte, leere Worte gewesen waren oder Worte, an die ein Mann sich halten konnte.
    Als er schließlich zu Noble sprach, klang seine Stimme besonders laut, weil es so lange still im Raum gewesen war.
    »Ich bin froh, dass es dir gut geht«, sagte er.
    Später, als Willadee und Samuel im Bett lagen, entschuldigte sie sich dafür, mitgeholfen zu haben, ihn über die Sache mit Noble und Toy im Dunkeln zu lassen.
    »Ich nehme an, du hast getan, was du für richtig gehalten hast«, sagte er.
    »Nein, das hab ich nicht. Ich habe es zwar für richtig gehalten, dass Noble lernt, auf sich aufzupassen, aber es war falsch, es vor dir geheim zu halten. Eher hätte ich mich mit dir streiten sollen. Gegen einen richtig guten Streit ist noch nie etwas einzuwenden gewesen.«
    Als er schwieg, sagte sie: »Ich wollte dir nicht wehtun.«
    »Das weiß ich.« In Wirklichkeit dachte er: Du wolltest nicht, dass ich es herausfinde.
    Willadee schlang die Arme um ihn und drückte ihn an sich.
    »Ich werde so etwas nie wieder tun. Das verspreche ich dir.«
    Einen Moment lang lagen sie schweigend da, dann löste er sich sanft aus ihren Armen und drehte sich auf die Seite, das Gesicht von ihr abgewandt. Sie küsste seinen Rücken, schmiegte

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