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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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sagte Toy.
    Noble sprang vom Traktorsitz hinunter und baute sich mit geballten Fäusten und funkelnden Augen vor seinem Onkel auf.
    »Was soll ich denn dann verlangen, zum Teufel?«, brüllte er.
    Toy grinste ihn lässig an.
    »Verdammt noch mal, Junge, verlang etwas Großes.«
    Das ließ Noble innehalten. Er dachte nach. Schließlich schob er das Kinn vor, sah Toy Moses in die Augen und sprach das aus, was er sich sein Leben lang gewünscht hatte.
    »Ich will … cool sein.«
    Und Toy Moses sagte: »Jetzt kommen wir endlich weiter.«
    Als Toy und Noble eine Stunde später aus der Scheune kamen, war die Stimmung zwischen ihnen locker und entspannt, und sie lachten. Niemand fragte sie, was sie da drinnen gemacht hätten, und sie erzählten auch nichts.
    Am Abend aß Noble, als hätte er den ganzen Tag Heu geschleppt, und hielt den Kopf dabei hoch wie ein Champion. Sein Vater war bestürzt über sein verunstaltetes Gesicht und fragte, was denn passiert sei.
    »Bin wo gegengelaufen«, sagte Noble und grinste so breit, dass es ihm wehtun musste.
    »Dieselben Jungen?«
    »Ja, Sir.«
    Samuel stieß frustriert Luft aus. »Dann werde ich wohl mal in die Schule gehen und mit dem Rektor reden müssen.«
    »Nein, Sir. Das ist nicht nötig.«
    Einen Moment lang betrachtete Samuel Nobles Gesicht. Man konnte ihm anmerken, dass er sich einen Teil der Schuld für die Verletzung gab.
    »Bist du dir sicher? Es sieht so aus, als hätten sie dich diesmal ziemlich heftig zusammengeschlagen.«
    »Das haben sie«, stimmte Noble zu. »Ich habe wohl nicht lange genug nach den guten Seiten an diesen Jungen gesucht.«
    Von nun an sorgte Toy dafür, dass er immer da war, wenn die Kinder am Nachmittag aus dem Bus stiegen. Dann verschwanden er und Noble sofort in der Scheune, aus der sie etwa eine Stunde später verschwitzt und humpelnd wieder auftauchten. Alle beide. Zweimal kam Samuel gerade von der Arbeit nach Hause, während diese Sitzungen noch im Gange waren, und beide Male begannen die »kleinen Kinder« – wie Noble Blade, Bienville und Swan nun bezeichnete – auf der Stelle, Cowboys und Indianer zu spielen. Blade stieß dann einen markerschütternden Kriegsschrei aus, und die anderen begannen die magischen Worte zu brüllen.
    »Da kommt er! Da ist der Häuptling! Er reitet ins Lager!« Dann schrien sie noch eine Menge anderes Zeug, um Samuel für den Fall zu verwirren, dass die Warnung zu direkt gewesen war: »Hugh!« und »Ich Freund!« und »Hab die Gürtel!«.
    Samuel schöpfte nie Verdacht, dass eine unausgesprochene Verschwörung im Gang war. Sah er Toy und Noble Minuten später mit am Kopf klebenden Haaren und durchgeschwitzter Kleidung aus der Scheune kommen, nahm er an, Toy hätte den Jungen bei der Arbeit eingespannt.
    Noble hatte mittlerweile tatsächlich angefangen, fleißig mit anzupacken, besonders wenn es darum ging, schwere Lasten zu heben. Er tat alles, womit sich Muskeln aufbauen ließen. Das Beste in diesen Tagen war jedoch sein gesamtes Auftreten. Wie er aufrecht dastand und zugleich entspannt wirkte und sich anscheinend nie schnell bewegte, aber immer so aussah, als könne er es ohne Vorwarnung tun. Vor den Augen der Familie verwandelte sich der unbeholfene und schlaksige Junge in einen gelenkigen und selbstsicheren jungen Mann. Und zwar nicht nur rein körperlich. Noble tat das, wozu Samuel ihm geraten hatte – er entwickelte innere Stärke. Nur eben nicht ganz in der Art und Weise, die Samuel gemeint hatte.
    »Was ist denn nur in Noble gefahren?«, fragte Samuel Willadee eines Nachts, als sie sich auszogen, um ins Bett zu gehen.
    »Vielleicht findet er allmählich zu sich selbst«, antwortete sie.
    Den Rest verschwieg sie ihm. Der Rest war nämlich, dass Toy ihren Sohn an die Hand genommen hatte und ihm nun beibrachte, wie man überlebte. Und dass sie ungeheuer froh darüber war. Ihr war zwar klar, dass die Lektionen, die Noble gerade lernte, dazu führen konnten, dass er eines Tages eine Verletzung oder noch Schlimmeres davontrug, aber das konnte auch passieren, wenn man einem Kampf aus dem Weg ging – oder eine Straße überquerte. Hauptsache war, dass er für den Rest seines Lebens allem, was ihm widerfuhr, mutig ins Auge sehen würde, wenn er die richtigen Lektionen gut lernte. Dann brauchte er nie wieder den Kopf hängen zu lassen.
    Nobles Test fand sechs Wochen später statt. Früher, als er gehofft hatte, doch es stellte sich heraus, dass er gut vorbereitet war. Swans Erzählung beim Abendessen nach

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