Die Geschichte eines Sommers
von Fahrzeugen begegnete. Es waren große, schlammbespritzte und mit Fett beschmierte Lkws in allen Größen mit verwegen aussehenden Fahrern und knirschenden Getrieben. Auf den Seiten der Trucks prangten fantastische gemalte Bilder von Löwenbändigern, Trapezkünstlern und riesigen Zelten. Der Zirkus war unterwegs.
Das war also sein verlangtes Zeichen. Natürlich glaubte Samuel nicht eine Sekunde lang, Gott würde ihm raten, sich dem Zirkus anzuschließen, doch die folgenden Worte schwirrten ihm plötzlich im Kopf herum: » KOMMT HER , IHR SEID ALLE WILLKOMMEN !« Unverzüglich fuhr er zur Eternal Rock Monument Company, gab Mr Lindale Stroud seine drei Ringbücher zurück und schlug dem Mann einen Deal vor.
»Wenn Sie mich von Ihrem Bürotelefon aus ein paar Ferngespräche führen lassen, können Sie die Gebühren von meiner Provision abziehen.«
In weniger als fünfzehn Minuten hatte Samuel eine Firma in Shreveport ausfindig gemacht, bei der er ein Zelt, Klappstühle und eine Lautsprecheranlage mieten konnte und erst zahlen musste, wenn die Spenden zu fließen begannen.
Samuel hätte sein Zelt an vielen Stellen errichten können, doch das Ledbetter-Grundstück schien die meisten Vorteile zu bieten. Zum einen würde es für ihn nichts kosten – denn auch wenn Irma Ledbetter mittlerweile in der Stadt lebte, wusste sie doch, unter welch finanziellem Druck ihre alten Nachbarn standen. Sie wäre eher gestorben, als dass sie von Samuel Geld für die Benutzung des Grundstücks genommen hätte, zumal er das viele Gestrüpp beseitigen würde. Und wenn das Grundstück erst einmal wieder gut aussah, würde es vielleicht auch jemand kaufen.
Zum anderen hatte dieser Standort einen besonderen Vorteil: Jede Nacht strömten zahllose verlorene Seelen ins »Never Closes« und wieder heraus, und sie alle konnten weder kommen noch gehen, ohne Samuels Banner zu sehen, auf dem stehen würde: » WÄHLE NOCH HEUTE , WEM DU DIENEN WILLST !«
»Ein Revival Meeting«, sagte Willadee.
»Ja, ein Zelt-Revival«, sagte Samuel.
»Direkt bei uns gegenüber.«
»Ja, direkt bei uns gegenüber.«
»Nun, ich finde, das ist eine sehr gute Idee«, sagte sie und meinte das auch ehrlich. Schon lange hatte Samuel nicht mehr so glücklich ausgesehen.
Sie war überrascht gewesen, als er so früh von der Arbeit nach Hause gekommen war, und auch, als er ihr gesagt hatte, er habe seinen Job aufgegeben, obwohl »überrascht« vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck dafür war. Die Geschichte vom Revival war für Willadee die dritte Überraschung in weniger als fünf Minuten gewesen, aber sie freute sich über alle drei. Zumindest würde Samuel jetzt wieder etwas tun, woran er glaubte, und vielleicht würde dadurch auch seine Seele wieder heilen.
»Wie groß soll das Revival denn werden?«, fragte Willadee. Sie saß am Küchentisch und faltete Wäsche. Samuel goss sich ein Glas Eistee ein.
»So groß wie möglich.«
»Vielleicht kann ich die Stammgäste ja solange auf Vertrauensbasis trinken lassen, damit ich rüberkommen und dich predigen hören kann?«
»Vielleicht bringst du die Stammgäste ja auch mit?«
Sie stand auf, stellte sich hinter ihn, schmiegte ihren Kopf an seinen Rücken und küsste ihn durch den Stoff seines Hemdes hindurch.
»Ich hoffe, du weißt, dass ich an dich glaube«, sagte sie.
»Und ich an dich«, sagte er.
»Auch wenn ich im Moment für den Teufel arbeite?«
Er stellte sein Teeglas ab, drehte sich um und rang sich ein gequältes Lächeln ab.
»Willadee, du lockst die Scharen des Teufels nur an, damit ich sie mir vorknöpfen kann.«
Nach dem Abendessen brachte Calla die Kinder ins Bett, und Willadee ging zum ersten Mal ins »Never Closes«, um zu arbeiten. Samuel fuhr derweil ins Krankenhaus, um Bernice an Toys Seite abzulösen, damit sie nach Hause fahren und ein bisschen Schlaf nachholen konnte.
Als Willadee am nächsten Morgen die Bar schloss und sich in die Küche schleppte, kam Bernice gerade nach Hause und wirkte überhaupt nicht erschöpft. Sie und Samuel hatten die ganze Nacht miteinander geredet, und Bernice war verwundert, dass sie fast überhaupt keine Müdigkeit verspürte.
Willadee, die sich nichts so sehr wünschte, wie sich den Kneipengestank abzuwaschen und ins Bett zu gehen, wozu es allerdings noch nicht Zeit war, war mehr als nur ein bisschen sauer.
»Ich hab gedacht, Samuel wäre die ganze Nacht im Krankenhaus geblieben, damit du zu Hause etwas Schlaf kriegst?«
»So war das auch
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