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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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nicht verlassen. Calla würde im Laden zu tun haben, hatte aber versprochen, zwischendurch nach den Kindern zu sehen.
    Die beiden Frauen sprachen unterwegs kein Wort miteinander. Willadee, weil sie am Morgen schon so ziemlich alles gesagt hatte, was ihr unter den Nägeln brannte, und Bernice, weil sie ihren eigenen Gedanken nachhing, die sie nicht mit Willadee teilen wollte. Das Schweigen war wie die Ruhe vor dem Sturm. Als sie auf den Parkplatz des Krankenhauses fuhren, sahen sie Samuel zu einer Gruppe von alten Leuten sprechen, die jedes Wort von ihm begierig aufzunehmen schienen.
    Als Samuel das Auto sah, schüttelte er den Leuten, mit denen er geredet hatte, die Hand und kam herüber. Bernice wartete geduldig, während er seine Frau küsste, dann erklärte sie den beiden mit leiser, angespannter Stimme, sie würde gerne mit ihnen reden, wenn sie ein paar Minuten Zeit hätten. Willadee war nicht überrascht. Noch nicht.
    »Natürlich haben wir Zeit«, versicherte Samuel. »Und Toy wird uns nicht einmal vermissen. Er wird gerade von den Schwestern gewaschen.«
    Als ob Bernice das interessieren würde.
    Die drei gingen vom Parkplatz auf die Rasenfläche, wo sie etwas ungestörter waren. Als sie sich weit genug von den anderen Leuten entfernt hatten, sah Bernice beide mit einem seelenvollen Blick an.
    »Du brauchst dich nicht verpflichtet zu fühlen, mich beim Revival mitarbeiten zu lassen«, sagte sie zu Samuel. »Ich möchte auf keinen Fall ein Stein des Anstoßes für einen armen Sünder sein, der zu Gott finden will.«
    Willadee starrte sie fassungslos an.
    »Aber natürlich wirst du beim Revival mitmachen«, sagte Samuel. »Wie kommst du nur auf die Idee, dass du das nicht tun solltest?«
    Bernice blickte von einem zum anderen, als würde sie fürchten, etwas Unpassendes gesagt zu haben.
    »Nun ja, nach all dem, was Willadee heute Morgen gesagt hat …«
    Willadee starrte sie erneut fassungslos an, und Samuel runzelte die Stirn.
    »So hab ich das überhaupt nicht gesagt«, protestierte Willadee. »Das ist nicht annähernd das, was ich gesagt habe.«
    »Du hast gesagt, die Leute würden uns beobachten«, stammelte Bernice mit zitternden Lippen. »Du hast gesagt, alle wüssten, dass ich nicht wirklich religiös geworden bin, und wenn ich mit Samuel beim Revival singen würde, würden die Leute denken, ich wär’ hinter ihm her, und dass ich ihm die Sache nicht kaputt machen soll, weil es seine einzige Chance ist, etwas aus sich zu machen, nachdem er als Pastor gescheitert ist.«
    Willadee hatte Augen und Mund vor Schreck weit aufgerissen.
    »Lieber Gott im Himmel«, brachte sie schließlich hervor und sah Samuel an, weil sie hoffte, in seinen Augen lesen zu können, dass er wusste, wie absurd das alles war. Doch sein Blick war undurchdringlich wie Blei.
    »So etwas habe ich nie gesagt«, widersprach sie, machte aber, da sie eine ehrliche Moses war, eine Einschränkung. »Jedenfalls nicht so.«
    Samuel stand einen Moment da wie ein benommener Boxer, auf den gnadenlos eingeschlagen wird. »Bernice, ich nehme an, Toy ist jetzt fertig gewaschen«, sagte er schließlich.
    Bernice wirkte absolut elend vor Reue.
    »Sei nicht böse auf Willadee«, sagte sie zu Samuel. Und zu Willadee gewandt fügte sie hinzu: »Ich weiß natürlich, dass du das nicht ernst gemeint hast, als du gesagt hast, du würdest mich von der Bühne zerren und mir alle Haare ausreißen.«
    »Geh jetzt zu deinem Mann«, sagte Samuel. »Und ruf zu Hause an, wenn du etwas brauchst.«
    Bernice nickte gehorsam und machte sich auf den Weg zum Krankenhauseingang. Samuel ging zum Auto und öffnete Willadee die Tür.
    »Ich habe das nie so gesagt«, erklärte sie noch einmal, während sie sich ins Auto setzte.
    »Willadee, hör auf damit«, sagte Samuel.
    Auf der Fahrt zurück nach Hause versuchte Willadee Samuel begreiflich zu machen, was passiert war. Ja, sie hätte mit Bernice geredet. Ja, sie hätte sie auch gewarnt, Samuel nur ja in Ruhe zu lassen, und gesagt, dass die Leute sie beobachten würden. Sie hätte die Musik erwähnt und darauf hingewiesen, dass das Revival sehr wichtig für Samuel wäre. Aber das meiste, was Bernice eben sonst noch gesagt hatte, sei dummes Zeug gewesen.
    »Wieso das meiste?«, fragte Samuel. »Du hast doch gerade alles bestätigt, was sie gesagt hat.«
    »Hab ich nicht !« Sie begann die einzelnen Punkte an den Fingern abzuzählen. »Ich hab nicht gesagt, du seist als Pastor gescheitert. Ich habe ihr nicht vorgeworfen, sie

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