Die Geschichte eines Sommers
geplant«, erklärte Bernice fröhlich. »Aber dann hat er mir von dem Revival erzählt, und wir haben angefangen, Pläne zu schmieden, und konnten einfach kein Ende finden.«
»Pläne?«
»Ich werde ihm bei der Musik helfen. Du weißt doch, dass wir früher viel gemeinsam gesungen haben, damals, als wir … vor langer Zeit halt.«
Willadee nickte kühl. Und ob sie das wusste.
In einem der unteren Schränke stand ein Sack mit fünfzig Pfund Mehl, und oben auf dem Mehl lag eine alte, blau gesprenkelte Emailleschüssel. Willadee griff sich die Schüssel, füllte sie mit Mehl und stellte sie auf den Küchentisch. Dann nahm sie Milch aus dem Kühlschrank, Backpulver, Salz und Schmalz aus einem Hängeschrank und stellte alles nebeneinander auf. Dabei konnte sie nur an eins denken: dass diese Situation zu einer Katastrophe führen würde.
»Mach Samuel die Sache nicht kaputt«, sagte sie.
Bernice hatte gerade hinausgehen wollen, blieb nun aber in der Tür stehen und starrte Willadee an, als traue sie ihren Ohren nicht.
»Willadee Moses, was redest du da?«
Willadee stieß ihre Faust ins Mehl, bevor sie die übrigen Zutaten in das so entstandene Loch gab, ohne auch nur irgendetwas abzuwiegen. Seit fünfzehn Jahren backte sie jeden Morgen Brötchen, was insgesamt auf über fünftausend Bleche Brötchen hinauslief, die sie schon fabriziert hatte. Mit einer Hand mischte und knetete sie, während sie mit der anderen die Schüssel langsam drehte und immer mehr Mehl vom Rand des Lochs in den Teig einarbeitete.
»Ich bin eine Lake«, korrigierte sie Bernice. »Du bist eine Moses, und du weißt ganz genau, wovon ich rede.« Willadee war ihrer Schwägerin gegenüber immer zurückhaltend gewesen, doch nun sagten ihr alle Instinkte, dass Gefahr drohte. Gefahr für Samuel, der ein Erfolgserlebnis dringend nötig hatte. »Das ist seit einer ganzen Weile Samuels erste Chance, wieder mal ein bisschen glücklich zu sein, und es kommt viel Arbeit auf ihn zu. Die Leute werden ihn beobachten – genauso wie dich, darauf kannst du deine sämtlichen Kleider verwetten.«
Was zweifellos der Wahrheit entsprach, doch Bernice wollte es sich nicht eingestehen. »Quatsch, ich kann mir überhaupt nicht vorstellen …«, begann sie.
»Oh doch, das kannst du«, unterbrach sie Willadee und wurde plötzlich richtig sauer. »Du kannst dir sehr gut alles Mögliche vorstellen. Vermutlich hast du schon angefangen, dir vorzustellen, du könntest Samuel irgendwie zurückbekommen, sobald du erfahren hast, dass wir hierher zurückziehen. Du bist sogar religiös geworden, weil du geglaubt hast, das würde euch miteinander verbinden. Und dieses Revival Meeting siehst du vermutlich als eine Antwort auf deine Gebete. Denn während ich jetzt nachts arbeiten muss, brauchst du nichts weiter zu tun, als hübsch auszusehen und die Heilige zu mimen. Aber versuch bloß nicht, dich an Samuel heranzumachen, du wirst nämlich keine Chance haben.«
Bernice starrte Willadee schweigend und wütend an. Unter der Unschuldsmiene, die sie sonst zur Schau trug, kamen ihre wahren Gefühle hervor. Für den Bruchteil einer Sekunde funkelten ihre Augen.
»Du hast keine Chance«, fuhr Willadee fort, »und zwar nicht, weil ich eine bessere Frau bin als du, sondern weil Sam ein viel zu anständiger Mann ist, um sich auf so etwas einzulassen. Du kannst ihn mir nicht wegnehmen, aber du könntest ihm seine neue Chance zunichtemachen, und wenn du das tust – das schwöre ich bei Gott –, dann reiße ich dir alle Haare aus.«
»Du meine Güte, Willadee«, sagte Bernice. »Eine Nacht in der Bar, und schon redest du wie die Stammgäste.« Dann zog sie ihre Schuhe aus, begann ganz langsam ihre Bluse aufzuknöpfen und erklärte Willadee, sie würde jetzt ins Bett gehen. »Du solltest vielleicht auch ein bisschen schlafen«, riet sie ihr im Hinausgehen. »Du siehst richtig fertig aus.«
Als Bernice am Nachmittag wieder in die Stadt fuhr, um Samuel im Krankenhaus abzulösen, begleitete sie Willadee. Sie dachte, Toy würde sich vielleicht freuen, wenn sie ihn kurz besuchte. Abgesehen davon nahm sie an, dass Bernice sie bei Samuel wegen der Standpauke verpetzen würde, die sie ihr am Morgen gehalten hatte, und sie wollte dabei sein, um sich verteidigen zu können. Da die Kinder bald aus der Schule nach Hause kommen würden, ließ Willadee einen Topf mit gebackenen Süßkartoffeln als Snack auf dem Herd stehen und schrieb ihnen einen Zettel: Sie sollten ihre Hausaufgaben machen und den Hof
Weitere Kostenlose Bücher