Die Geschichte eines Sommers
Johns altem Traktor herumschraubte und versuchte, ihn zum Laufen zu bekommen. Willadee ging in die Küche, kochte lieblos und schnell ein Abendessen und brüllte, alle sollten essen kommen. Dann verschwand sie im »Never Closes« und schloss die Tür hinter sich, damit niemand sehen konnte, wie schlecht es ihr ging.
Calla brauchte ihre Tochter nicht einmal anzusehen, um zu merken, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie konnte es spüren. In dieser Nacht lag sie wach im Bett und machte sich über alles Mögliche Gedanken. Als sie die Unruhe nicht mehr ertragen konnte, stand sie auf und ging zum zweiten Mal in ihrem Leben in die Bar. Willadee spülte am Becken Gläser und war allein.
»Ich weiß wirklich nicht, weshalb wir so ein Theater darum machen, dass dieser Laden die ganze Nacht geöffnet hat«, sagte Calla. »Es ist doch verrückt, wenn alle Gäste schon nach Hause gegangen sind.«
»Natürlich, aber Toy hat ein einziges Mal früher zugemacht, und sieh, was es ihm eingebracht hat«, sagte Willadee.
Calla lachte. Die Vorstellung war zwar eigentlich nicht komisch, aber trotzdem.
»Möchtest du mir nicht erzählen, was los ist?«
»Tricks und Täuschungsmanöver, Mama«, sagte Willadee erschöpft. »Nur Tricks und Täuschungsmanöver.«
»Also Bernice«, riet Calla sofort. »Was führt sie im Schilde?«
»Ach, eine ganze Menge«, sagte Willadee. »Aber ich rede nicht von ihren Tricks und Täuschungsmanövern.«
Nachdem Willadee ihr alles erzählt hatte, sagte Calla: »Wenn du meinst, dass du etwas falsch gemacht hast, mach es wieder gut. Und dann Schwamm drüber.«
»Und was, wenn Samuel mich nicht lässt?«
»Mein Gott, Willadee! Samuel kann dich doch nicht daran hindern, etwas wiedergutzumachen. Mach bloß nicht den Fehler, den ich mit John gemacht hab, warte nicht zu lange damit. Und was Bernice angeht – du bist die Klügere von euch beiden. Tricks sie aus.«
Willadee stellte das letzte Glas in das Gestell zum Trocknen und ließ das Spülwasser ablaufen.
»Ich mag zwar klüger sein als sie, Mama, aber sie bekommt mehr Schlaf als ich. Die dreht mir ganz einfach das Wort im Mund herum.«
Calla nahm das nasse Geschirrtuch und wischte über die Theke. Plötzlich fühlte sie sich voller Energie.
»Lass dir von mir einen Rat geben«, sagte sie. »Wie viel Schaden Bernice deiner Meinung nach auch angerichtet hat, du hast dich wacker geschlagen. Aber wenn du mich fragst, dann wird es höchste Zeit, dass du mit dieser kinderlosen Kuh abrechnest.«
»Aber ich habe keine Ahnung, wie ich mit ihr abrechnen soll«, jammerte Willadee.
»Ich schon«, sagte Calla.
Zur gewohnten Zeit schloss Willadee die Bar, bereitete das Frühstück zu und schickte die Kinder in die Schule. Dann nahm sie ein Bad und machte sich auf die Suche nach ihrem Ehemann. Sie fand ihn hinter der Scheune, wo er Holunderbüsche beschnitt.
»Ich möchte dir für alles danken, was du gestern zu mir gesagt hast«, fiel sie sofort mit der Tür ins Haus. Alles andere wäre Zeitverschwendung gewesen.
Samuel hörte auf zu hacken, hieb die Axt auf den Boden und lehnte sich auf den Stiel. Weder lächelte er, noch sagte er etwas, doch zumindest hörte er zu.
»Du hattest recht«, fuhr Willadee fort. »Nicht weil du Bernice geglaubt hast, aber es geht hier auch gar nicht um Bernice. Es geht um die Fehler, die ich gemacht habe. Das wirklich Traurige ist, dass ich es gar nicht gemerkt hätte, hättest du mich nicht auf sie hingewiesen.«
Sie hielt einen gewissen Abstand zu ihm, weil sie nichts forcieren wollte. Sie wagte es nicht, ihm zu nahe zu kommen oder ihn zu berühren, hatte Angst, er könnte zurückweichen und es würde sich plötzlich ein tiefer Graben zwischen ihnen auftun.
»Ist das die berühmte Moses-Ehrlichkeit?«, fragte er nach einer Ewigkeit, wie es ihr schien. »Oder die reine Wahrheit? Ich möchte hier und jetzt nicht irgendetwas schlucken, das man später vielleicht noch einmal durchkauen muss.«
»Die reine Wahrheit«, sagte sie. »Etwas anderes wirst du von mir von nun an nicht mehr zu hören bekommen.« Dann fügte sie hinzu: »Sie wird dir vielleicht nicht immer gefallen, aber ich werde sie dir trotzdem sagen.«
Samuel akzeptierte das mit einem Nicken.
»Und noch eines musst du wissen, Samuel Lake«, sagte sie mit Nachdruck. »Ich bin immer auf deiner Seite. Vielleicht kannst du mir das im Augenblick nicht glauben, und vielleicht habe ich mich auch in mancher Hinsicht nicht so verhalten. Etwa indem ich den Kindern ein
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