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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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verstummte jedoch, als Calla die Treppe heraufkam und ihn ansah.
    »Was hältst du davon, wenn wir beide jetzt reingehen und uns ein bisschen ausruhen?«, fragte sie. Für John Moses veränderte sich schlagartig seine Welt. Sofort dachte er nicht mehr an Walter, sondern nur noch daran, dass er seit mehr als zehn Jahren alleine schlief.
    »Was?«, brachte er mit rauer Stimme hervor. »Du meinst, du willst dich mit mir in unserem alten Ehebett herumwälzen?«
    Calla war sprachlos. Ihre Lippen wurden weiß. Auf dem Hof begannen Verwandte und sonstige Gäste hektisch herumzulaufen und Kinder und übrig gebliebenes Essen in die Autos zu laden. Ein Unwetter braute sich zusammen, und sie wollten verschwunden sein, bevor es richtig losging.
    »Wo wollt ihr denn alle hin, zum Teufel?«, brüllte John. »Ist aber nicht nett, gleich nach dem Essen abzuhauen.« Aber die Gäste ließen sich nicht aufhalten, immer mehr machten sich auf und davon, bis kaum noch jemand da war.
    »Mach dich nicht lächerlich, John«, sagte Calla.
    »Ich mache, was ich will, verdammt noch mal«, belehrte John sie. »Ich bin ein Selfmademan.« Taumelnd machte er eine Art Tanzschritt und wäre fast von der Veranda gefallen.
    »Du bist ein selbst gemachter Idiot«, murmelte sie vor sich hin.
    Da schlug John Moses ihr schallend ins Gesicht. Willadee kam über den Hof gerannt, schob alle beiseite, die ihr im Weg standen, trat zwischen ihre Mutter und ihren Vater und sah John Moses starr in die Augen.
    »Ich … schäme mich ja so … für dich«, sagte sie mit zitternder Stimme.
    John wurde schlagartig nüchtern. Er erwiderte Willadees Blick, starrte sie eine Ewigkeit an, wie es ihr vorkam. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging ins Haus.
    Niemandem war nun mehr zum Bleiben zumute. Trotzdem harrten die restlichen Gäste noch ein wenig aus und wünschten sich, nichts davon wäre passiert. Willadee tätschelte ihrer Mutter den Arm, starrte dabei aber auf die Tür, durch die John Moses verschwunden war. Urplötzlich wusste sie genau, was geschehen würde, so als hätte eine Stimme vom Himmel gesprochen und es ihr gesagt. Sie eilte auf die Tür zu.
    »Daddy!«, schrie sie, doch keine Menschenseele hörte sie, weil der Schuss so laut krachte wie ein Donnerschlag.

4
    Die erste Stunde war die schlimmste. Willadees Brüder hielten die Frauen vom Haus fern, doch Willadee sah alles so lebhaft vor sich, als hätte sie selbst die Leiche gefunden. Für den Rest ihres Lebens würde sie versuchen, das Bild zu verdrängen, dagegen ankämpfen, es hassen. Versuchen, es zu verharmlosen, die Farben zu dämpfen. Es würde ihr niemals gelingen.
    Willig ließ sie sich zu einem Stuhl auf dem Hof führen, konnte aber nicht still auf ihm sitzen bleiben. Sie sprang auf und stopfte sich ihre Finger in den Mund, um nicht laut loszuschreien. Jemand nahm sie am Arm und lief mit ihr im Kreis. Von der Veranda zum Brunnen, in den Garten und zurück zur Veranda. Immer im Kreis. Redete unaufhörlich sanft auf sie ein, sodass die Worte ineinanderflossen. Ging mit ihr immer weiter im Kreis. Später konnte Willadee sich nicht erinnern, wer sie davor bewahrt hatte, hysterisch zu werden.
    »Es war meine Schuld«, hatte sie zu demjenigen gesagt, wer auch immer es gewesen war.
    »Schsch, ganz ruhig, so darfst du nicht reden. Niemand hat Schuld.«
    Doch Willadee wusste es besser. Sie wusste es einfach.
    Es gelang ihr, Samuel telefonisch zu erreichen, und er sagte genau das, was sie von ihm erwartet hatte, nämlich dass er sofort ins Auto steigen und zu ihr kommen würde. Dass er da sein sollte, bei ihr, den Kindern und bei Calla. Aber Willadee wollte nichts davon wissen. Er müsse bleiben, wo er war. Es seien genug Männer da, die sich um alles kümmerten, und wenn er käme, würde er eh gleich wieder zurückfahren müssen. Es wäre eine elende Fahrerei, viel zu gefährlich, und sie würde es nicht ertragen können, wenn ihm auch noch etwas passierte.
    »Wie konnte er euch das nur antun, Willadee?«, fragte Samuel zornig, doch sie tat so, als hätte sie es nicht gehört.
    Nachdem sie den Hörer eingehängt hatte, hatte Willadee keine Ahnung, was sie tun sollte. Der Tote war in das Bestattungsinstitut von Magnolia gebracht worden. Freunde und Nachbarn hatten geholfen, die Schweinerei zu beseitigen, die John angerichtet hatte. Auf dem Hof liefen noch immer die Leute hin und her, es gab nirgendwo einen ruhigen Ort, wo man sich hinsetzen und nachdenken konnte. Willadee überlegte kurz, ob sie

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