Die Geschichte eines Sommers
hässlichen Geschichte mit Yam Ferguson kurz nach dem Krieg zugelegt. Doch was die anderen betraf – so eng, wie hier alle aufeinanderhockten, konnte man ja nicht einmal einen fahren lassen, ohne dass es jemand roch.
Nicht dass Bernice jemals einen fahren lassen würde.
Zum anderen fühlte sich Bernice auch deshalb so elend, weil sie in letzter Zeit häufig das schreckliche Gefühl überkam, dass ihr die Zeit davonlief. Wenn man jahrelang das hübscheste Ding weit und breit gewesen ist und plötzlich feststellt, dass man in voller Blüte steht, da kann man schon ein bisschen nervös werden. Denn nach der vollen Blüte kommt unwiderruflich das Stadium, in dem die Blütenblätter welken und abfallen. So stand sie nun in vollem Saft, alle Blütenblätter waren gerade noch frisch, aber Sam Lake bemerkte das nicht einmal.
Dagegen musste sie unbedingt etwas unternehmen.
Bernice dachte darüber nach, wie sie Sams Interesse wecken könnte. Sie dachte jeden Tag darüber nach, sobald sie und Toy wieder zu Hause waren. Toy haute sich immer sofort in die Falle, wenn sie von Calla zurückkamen, und wachte meist erst irgendwann am Nachmittag wieder auf. Während er schlief, schlenderte Bernice von einem Zimmer zum anderen, so lautlos und elegant wie eine Katze, und ließ sich ab und zu kurz nieder, auf einem Stuhl, auf der Couch. Manchmal auch draußen auf dem Verandageländer. Neben den Treppenstufen blühten Gardenien, die so süß dufteten, dass es ihr die Kehle zuschnürte und sie das Bedürfnis hatte, in Tränen auszubrechen.
Auch in der Nacht dachte sie darüber nach, wenn sie allein auf Callas Schaukel saß und die Musik aus dem »Never Closes« im Hintergrund lief. Sie dachte darüber nach, während Samuel mit Willadee und den Kindern zurück nach Louisiana fuhr, um den Abschiedsgottesdienst in der kleinen Kirche abzuhalten, die sie verlassen mussten. Bernice dachte einfach ständig daran. Irgendwie musste es doch eine Möglichkeit geben, dass Samuel der Wahrheit ins Auge sah, dass er ohne sie unglücklich war.
Mit jeder Stunde, die verging, fühlte sich Bernice stärker unter Druck gesetzt. Sie bekam nicht genügend Schlaf, sie bekam nicht, was sie wollte, und sie wurde älter.
Spät am Freitagabend tuckerte Samuels Auto wieder auf den Hof. Es zog einen Anhänger hinter sich her, auf den Möbel und Kisten gestapelt waren, dass es an ein Wunder grenzte, dass er damit unter allen Eisenbahnbrücken auf der Strecke hindurchgekommen war. Großmutter Calla war aufgeblieben, um auf sie zu warten. Sie kam ihnen von der Veranda entgegen, schlängelte sich zwischen den kreuz und quer parkenden Fahrzeugen der Gäste hindurch, steckte den Kopf durch das Autofenster und versuchte den Krach aus der Kneipe zu übertönen.
»Lass die Kinder raus, und stell den Anhänger in die Scheune«, forderte sie Samuel auf. »Es ist zu spät, um eure Sachen noch reinzubringen, und ihr wollt ja bestimmt nicht, dass euch was geklaut wird.«
Samuel tat, wie ihm geheißen.
Am Samstag war Callas Toilette verstopft, und Samuel war den ganzen Tag über damit beschäftigt, das Rohr zur Klärgrube auszugraben. Er fand es mühelos, da das Gras über diesen Dingern immer viel frischer und grüner ist als das darum herum, allerdings hatte er große Mühe, die Wurzeln der Amberbäume durchzuhacken, die sich durch das Rohr gebohrt und darum herumgeschlungen hatten. Die Arbeit nahm ihn den ganzen Tag in Anspruch. Das Auto samt Anhänger blieb in der Scheune eingeschlossen, sodass nichts abgeladen wurde. Also kam es auch nicht zu dem üblichen Tumult, der normalerweise stattfindet, wenn eine ganze Familie in ein Haus zieht, und deshalb bekam auch fast niemand in der Gemeinde mit, dass Sam Lake mit seiner Familie wieder nach Arkansas gezogen war.
Am Sonntagmorgen ging Bernice nicht zum Frühstück hinunter. Sie quälten zu viele Gedanken, und ihr war schwer ums Herz. Sie blieb einfach im Bett und dachte darüber nach, wie ungerecht die Situation doch war, in der sie sich befand. Dann hatte sie plötzlich eine Inspiration.
Das heißt, eigentlich war es Samuel, der diese Inspiration auslöste, auch wenn er nichts davon wusste. Er und Willadee waren in ihrem Zimmer und bereiteten sich auf die Kirche vor. Bernice konnte mehr als deutlich ihre Stimmen hören. Sie musste nicht einmal ihr Ohr gegen die Wand drücken, um etwas zu verstehen. Es war wie ein Wink des Schicksals.
Willadee fragte Samuel, ob es für ihn nicht schwierig sei, heute Morgen in die
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