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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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Ferien und ihre Erweckungsgottesdienste geplant und dafür auch die Kanzeln besetzt. Jedoch schienen sie ein schlechtes Gewissen zu haben, weil sie ihn abwiesen, und versprachen, an ihn zu denken, falls sich doch noch etwas ergeben sollte.
    Sam Lake verstand sich auf eine Menge Dinge. Er konnte singen und musizieren, und er konnte Leuten helfen, in sich und anderen das Beste zu sehen. Er konnte ein Paar, das sich scheiden lassen wollte, dazu bringen, miteinander zu reden, und er konnte das Gespräch so lenken, dass sich die beiden irgendwann wieder daran erinnerten, warum sie sich ineinander verliebt hatten, und dass sie schließlich vergaßen, weshalb sie überhaupt geglaubt hatten, ihre Liebe wäre erloschen. Er konnte einen Dieb davon überzeugen, zurückzugeben, was er gestohlen hatte, und ein Mann zu sein und sich zu stellen. Er konnte einen Richter oder einen Polizisten überreden, jemanden mit Nachsicht zu behandeln, der eine zweite Chance verdient hatte. Er konnte ein junges Mädchen besuchen, das gerade ein uneheliches Kind geboren hatte, und wenn er wieder ging, würde sie stolz auf ihr Kind sein und sich nicht mehr dafür schämen.
    Doch nichts von den vielen Dingen, auf die Sam Lake sich verstand, war in den Stellenanzeigen der Magnolia Banner News gefragt.
    Der erste Betrieb, vor dem er parkte, war ein Hersteller von Grabsteinen in Magnolia mit dem Namen Eternal Rock Monument Company, der dringend einen Handelsreisenden suchte. Der Mann, der die Firma leitete, ein Mr Lindale Stroud, musste Samuel nur ansehen und kam zu dem Schluss, zu dem alle kamen, wenn sie Samuel ansahen: Diesem Mann konnte man nichts abschlagen. Er engagierte ihn auf der Stelle.
    Samuels neuer Job bestand darin, durch die Gegend zu fahren und Leute zu besuchen, die erst kürzlich einen ihnen nahestehenden Menschen verloren hatten, und ihnen sein tiefstes Mitgefühl auszusprechen. Das war kein Problem für ihn, denn er fühlte wirklich mit leidenden Menschen mit. Er würde eine Weile bei ihnen bleiben, um ein Gefühl für ihre persönliche Situation zu bekommen, und dann schließlich fragen, ob sie denn schon daran gedacht hätten, für ihren geliebten Verstorbenen einen Grabstein auszusuchen. Hatten sie das noch nicht getan, würde er noch ein bisschen weiter mit ihnen reden, um sie davon zu überzeugen, dass sie das am besten jetzt sofort tun und nicht mehr weiter aufschieben sollten, denn die Zeit verflog, ohne dass sie es merkten. Dann würde er das Ringbuch aufschlagen, das Mr Lindale Stroud ihm gegeben hatte, und den Leuten Hochglanzfotos von den verschiedenen Arten von Grabsteinen zeigen.
    Um Familien zu helfen, die den Grabstein nicht bar bezahlen konnten – und das konnten die wenigsten –, bot die Firma einen günstigen Teilzahlungskredit an. Dass die Zinsen dafür allerdings gar nicht so günstig waren, das beunruhigte Samuel. Er rechnete den Leuten alles vor und erklärte ihnen, sie würden den vollen Preis mehrmals zahlen, wenn sie sich für den Teilzahlungskredit entschieden, doch niemand wollte seine Einwände hören. Es war einfach zu verlockend, auf der gepunkteten Linie zu unterschreiben und dann die kleine Anzahlung zu leisten. All die weiteren wöchentlichen Zahlungen schienen in dem Moment eine Ewigkeit entfernt.
    Als der Sturm um 15:08 Uhr losbrach, hatte Samuel bereits den ersten Auftrag in der Tasche.
    Willadee hatte die Kinder fast den ganzen Tag nicht aus dem Haus gelassen, weil sie ein ungutes Gefühl wegen des Wetters hatte und sie nicht suchen müssen wollte, wenn es draußen plötzlich zu heftig wurde. Swan und ihre Brüder hatten noch nie in einem Tornado-Gebiet gewohnt und bei ihren Besuchen in Arkansas auch noch keinen Wirbelsturm miterlebt, deshalb verstanden sie nicht, was das ganze Theater sollte. Die düsteren Wolkenbänke am Horizont wirkten bei Weitem nicht so bedrohlich wie die Gewitterwolken, die sie von zu Hause her kannten. Die lang gezogenen bleifarbenen Wolkenbänke sahen aus, als wären sie an ihrer Unterseite gerade abgeschnitten, wo der Himmel dann auch wieder ganz normal aussah. Es fiel ein leichter Nieselregen, Blitze zuckten durch die Wolken, Donner grollte, und die Wipfel der Bäume wurden vom Wind geschüttelt. All das wirkte nicht besonders beängstigend auf die Kinder, selbst dann noch nicht, als kleine Rüssel an den flachen Unterseiten der Wolken erschienen und tastend herumfuhren, als würden sie nach etwas suchen, woran sie sich festklammern könnten.
    Den ganzen Tag lang

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