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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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war Willadee immer wieder ans Fenster gegangen, um hinauszusehen, oder hatte sich auf die Veranda gestellt, stirnrunzelnd den Himmel betrachtet und gesagt, sie hoffe nur, Samuel würde bald zurückkommen. Irgendwann am Nachmittag war Calla aus dem Laden durchs Haus auf die Veranda gekommen, hatte sich neben Willadee gestellt und ebenfalls stirnrunzelnd den Himmel betrachtet.
    »Ich hab noch nie einen Mann erlebt, der auch nur einen Funken Verstand hatte«, sagte Calla. Was nicht stimmte. All ihre Söhne waren sehr vernünftige Männer und Samuel meistens ebenfalls. Selbst John war ein kluger Kopf gewesen, bevor der Alkohol ihm das Hirn aufgeweicht hatte. Doch es war leichter für Calla, über Männer im Allgemeinen herzuziehen, die keinen Verstand hatten, als zugeben zu müssen, dass sie sich um Samuel Sorgen machte.
    »Ihm passiert schon nichts«, sagte Willadee, um sich selbst Mut zu machen.
    Die Kinder, die sich bereits seit einiger Zeit an der Haustür herumdrückten, wagten sich nun auch auf die Veranda, um die Erwachsenen bei den Wetterbeobachtungen zu unterstützen.
    »Warum wird der Himmel denn so grün?«, wollte Bienville wissen.
    »Warum wird dein Popo denn gleich rot?«, fragte Oma Calla zurück. Und um ihm die Antwort zu ersparen, fügte sie hinzu: »Weil ich ihn gleich versohlen werde.«
    »Aber es ist doch alles ruhig«, sagte Swan. »Selbst der Wind hat aufgehört.«
    Sie hatte recht. Willadee hatte so gebannt auf den Himmel gestarrt, dass ihr gar nicht aufgefallen war, wie unheimlich still es plötzlich geworden war. Nun sah sie ihre Mutter an, die sie ebenfalls anblickte, und beide verzogen grimmig das Gesicht.
    »Geht rein, und holt eure Kopfkissen aus den Betten«, befahl Willadee. »Dann setzt euch in die Badewanne und haltet euch die Kissen über den Kopf, bis ich euch sage, dass alles vorbei ist.«
    »Aber es passiert doch gar nichts!«, insistierte Swan.
    Oma Calla fing an zu brüllen. »Swan Lake, wenn dir dieser Sturm den Kopf abreißt und ihn auf die Kuhweide schleudert, wirst du erst dann endlich lernen zu gehorchen?«
    Swan fand die Vorstellung umwerfend komisch. Ein Kopf auf einer Kuhweide, der gehorchte. Sie wagte es jedoch nicht zu lachen, weil Oma Calla mit den Füßen aufstampfte und mit ihrer Schürze wedelte, als würde sie ihre Hennen in den Hühnerhof scheuchen. Also stürmten Swan, Noble und Bienville durch die Tür, rasten die Treppe hinauf, schnappten sich ihre Kopfkissen, polterten wieder die Treppe hinunter, hasteten ins Badezimmer und sprangen in die Wanne. Bisher war alles noch ein Heidenspaß, fand Swan.
    Oma Calla und Willadee waren ebenfalls zurück ins Haus gelaufen und rissen nun die Fenster auf, weil sie irgendwo gehört hatten, offene Fenster würden verhindern, dass ein Haus in die Luft fliegt, wenn es von einem Wirbelsturm getroffen wird. Dann eilten sie ins Badezimmer und setzten sich neben die Wanne auf den Fußboden. Willadee erklärte den Kindern, sie sei ganz sicher, dass ihr Daddy jetzt dafür betete, Gott möge sie beschützen. Also brauchten sie auch keine Angst zu haben.
    Swan nahm das Kissen vom Kopf und sagte, wenn sie keine Angst zu haben bräuchten, sähe sie persönlich auch keinen Sinn darin, sich in der Badewanne zu verstecken. Aber bevor Willadee Swan noch auffordern konnte, den Mund zu halten, hörten sie auch schon einen Lärm wie von einem vorbeirasenden Güterzug. Schon merkwürdig, dachten die Kinder in diesem Augenblick, schließlich gab es hier meilenweit keine Eisenbahnlinie.

14
    Samuel war auf dem Macedonia-Highway unterwegs zu Birdie Birdwell, der Tochter des kürzlich verstorbenen T. H. Birdwell. Laut Mr Lindale, der von dessen Ableben von Avery Overbeck erfahren hatte, dessen Cousin dritten Grades ein Onkel von Birdies Nachbarin war, hatte T. H. gerade auf dem Plumpsklo gesessen und sich in einem Versandhauskatalog die Dessous angesehen, als er einen tödlichen Herzinfarkt erlitt.
    Samuel überging dieses Detail. Seine Aufgabe war es, Trost zu spenden – was er gerne tat – und Birdie einen Grabstein zu verkaufen – was er nicht ganz so gerne tat. Allmählich kam er sich wie ein Aasgeier vor, der sich auf die Hinterbliebenen stürzt, um an deren Trauer zu verdienen. Im Grunde unterschied er sich von einem Aasgeier nur darin, dass dieser von den Toten nahm und er – solange er in diesem Metier arbeitete – von den Lebenden.
    Andererseits war es eigentlich nichts Unmoralisches, Grabsteine zu verkaufen, also gab es auch keinen

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