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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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den Türgriff mit beiden Händen, die Tür flog auf und er hinaus. Auf allen vieren landete er im dichten Klee und war auf und davon, noch bevor Samuel an den Straßenrand fahren und den Motor ausschalten konnte.
    Samuel stieg aus und sah sich um. Er überquerte den Graben und wollte sich einen Weg durch das Dickicht bahnen, doch das Gebüsch und die Bäume dort waren so undurchdringlich, dass nur ein Kaninchen oder Blade Ballenger hindurchpasste. Samuel kam sich ziemlich dämlich vor.
    Da er einen achtjährigen Jungen jedoch nicht allein durch den Wald irren lassen konnte, bog er in den schmalen Weg zum Haus der Ballengers ein. Es war doch das Normalste auf der Welt, diesen Leuten zu sagen, wo ihr Sohn die Nacht verbracht hatte und was los war. Bestimmt machten sie sich schon furchtbare Sorgen.
    Auf dem Hof kämpften einige Hunde um ein paar Essensreste. Als Samuel aus dem Auto stieg, verloren sie das Interesse an dem Futter und kamen mit gesenkten Köpfen und gesträubtem Fell auf ihn zugerannt. Doch Samuel stand offenbar noch immer unter dem Schutz des Herrn. Er schritt zwischen den Hunden hindurch wie Moses durch das Rote Meer.
    Als er sich den Eingangsstufen näherte, erschien eine ängstlich aussehende Frau in der Tür, ein Baby auf der Hüfte und ein Kleinkind an ihrem Rockzipfel. Sie machte keine Anstalten hinauszukommen und bat auch Samuel nicht ins Haus. Sie stand einfach nur auf der anderen Seite der Fliegengittertür und sah aus, als wünschte sie sich, er wäre nicht vorbeigekommen.
    »Die beißen, die Hunde«, warnte Geraldine Ballenger.
    »Ja, Ma’am«, antwortete Samuel höflich, obwohl die Hunde offensichtlich gar nicht mehr in Beißlaune waren. Dann stellte er sich vor und erklärte, weshalb er gekommen war. Er erzählte ihr, dass Blade letzte Nacht bei ihnen aufgetaucht sei und wie er versucht hatte, ihn nach Hause zu bringen, der Junge ihm aber weggelaufen sei. Nun mache er sich Sorgen, dass sich der kleine Kerl ganz allein im Wald verletzen oder verlaufen könnte.
    »Sie wollen doch sicher, dass jemand nach ihm sucht?«, sagte Samuel schließlich. »Wenn Sie möchten, könnten meine Familie und ich Ihnen dabei helfen …«
    In diesem Augenblick wandte Geraldine ruckartig den Blick von Samuel ab, starrte auf den Hof und verschwand dann so rasch vom Eingang, dass Samuel beinah zweifelte, ob sie überhaupt dort gewesen war. Er drehte sich um, um zu sehen, was sie gesehen hatte, und er war tatsächlich da: der Stiefsohn des Teufels höchstpersönlich. Jedenfalls kamen ihm diese Worte in den Sinn, Callas Worte. Sie schienen sehr gut zu passen.
    Ras Ballenger stolzierte mit einem hämischen Grinsen über den Hof. Ein kleiner Junge trippelte neben ihm her und ahmte seinen Ausdruck und seine Bewegungen nach. Alle paar Sekunden schaute er hoch, um sich zu vergewissern, ob er auch alles richtig machte.
    Samuel war in seinem Leben schon vielen Männern begegnet, guten wie schlechten, doch das hier war der erste Mann, dessen Anblick ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dennoch streckte er seine Hand aus, wie es sich für einen Gentleman gehörte – und für einen Prediger.
    »Mein Name ist Sam Lake«, sagte er. »Ich wohne mit meiner Familie gerade bei den Moses, also sind wir wohl Nachbarn.«
    Ras ignorierte Samuels ausgestreckte Hand und hakte seine Daumen in die Gürtelschlaufen.
    »Und Sie sind extra hergekommen, um mir das zu erzählen?«, fragte Ras.
    Samuel ließ die ausgestreckte Hand sinken. Allmählich war er überzeugt, dass es ihrem Sohn mehr schaden als guttun würde, wenn man diesen Leuten half, ihn zurückzubekommen. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, die Behörden zu verständigen. Doch da er der Frau die ganze Geschichte bereits erzählt hatte, konnte er jetzt keinen Rückzieher mehr machen.
    »Nein, Sir«, sagte Samuel. »Ich bin hergekommen, um Ihnen zu sagen, dass Ihr anderer Sohn im Wald umherirrt und ich Ihnen gern bei der Suche helfen würde.«
    Ballengers Grinsen wurde breiter und gefror.
    »Nun ja, ich weiß Ihre Freundlichkeit zu schätzen. Ehrlich. Wenn ich Ihre Hilfe brauch, werd ich Sie darum bitten.«
    Was so viel bedeutete wie: »Machen Sie, dass Sie von hier wegkommen, zum Teufel noch mal.«
    Was Samuel auch tat.
    An diesem Tag bekam Toy Moses keinen Schlaf. Sobald Samuel mit Blade losgefahren war, hatte Toy Sheriff Meeks angerufen, der seinerseits einige Kollegen in der Umgebung benachrichtigte. Jack Woodard, der Constable in Camden, sagte, natürlich kenne er

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