Die Geschichte eines Sommers
dachte er nach. Er dachte an die Kinder, mit denen er gespielt hatte, und wie er beinah der Stellvertreter eines United States Marshal geworden wäre. Das wäre richtig schön gewesen.
Er stellte sich vor, er könnte den ganzen Tag in dem Schwimmloch bleiben und am Abend zurückgehen und bei diesen Leuten in der Scheune schlafen, genau wie letzte Nacht, und am Morgen würde Swan ihn wieder holen, und diesmal würde sie dafür sorgen, dass ihn niemand fortbrachte. Swan war richtig clever, und Blade glaubte, dass sie es dieses Mal verhindern würde.
All das ging ihm durch den Kopf, als plötzlich jeder Vogel aufhörte zu singen, jede Grille aufhörte zu zirpen und jeder Frosch aufhörte, um ein Weibchen zu werben. Die Welt um ihn herum verstummte viel zu schnell. Als Blade Ballenger merkte, dass er sich hätte verstecken sollen, da war es bereits zu spät.
22
Willadee war klar, dass Samuel an diesem Abend von seinen Kindern recht kühl empfangen werden würde. Nach Meinung der Kinder passte, was er an diesem Morgen getan hatte, nicht zu seinem sonstigen Verhalten. Der Samuel, den sie kannten, trat für das ein, was gut und richtig war, worum auch immer es sich handelte. Dass er tatsächlich getan hatte, was er für richtig hielt , verstanden sie nicht. Willadee versuchte es ihnen zu erklären, als sie am Nachmittag mit einem Eimer frisch gepflückter Tomaten aus dem Garten kam und die Kinder, ihre Köpfe mit verdrießlichen Mienen in die Hände gestützt, auf der Verandatreppe antraf.
»Euer Daddy hat getan, was getan werden musste«, sagte sie zu ihnen. »Hätten wir Blade hierbehalten, hätte es Ärger gegeben.«
Doch auch das ließ Samuel in den Augen der Kinder nicht besser dastehen. Für sie war ihr Vater immer jemand gewesen, der die Leute überredete, sich zu ändern – nicht umgekehrt.
»Bloß weil er kein Prediger mehr ist, muss er doch nicht gleich genauso schlimm sein wie alle anderen«, platzte Swan heraus.
»Er ist immer noch ein Prediger«, sagte Willadee. Ihre drei Kinder hatten die Schultern hochgezogen und schmollten. Ihre Mutter stand ebenfalls auf ihrer schwarzen Liste. »Wie kommst du nur darauf, dass er kein Prediger mehr ist?«
»Er hat doch keine Gemeinde. Wo soll er denn so predigen?«
»Das wissen wir noch nicht.«
»Wie kann er dann ein Prediger sein?«
Willadee hatte das Gefühl, sie sollte vielleicht sagen, dass Samuel Prediger war, weil er von Gott dazu berufen war. Doch Willadee sah das anders. Ihrer Meinung nach hatte Samuel sich selbst berufen. Er hatte sich in Gott verliebt, und wenn man verliebt war, dann musste man darüber reden. So einfach war das.
Das aber verschwieg sie den Kindern. Zu ihnen sagte sie nur: »Er ist es einfach.«
Swan hielt ihre Knie umklammert und starrte wütend auf die Straße.
»Ich hoffe bloß, dass er nicht von mir erwartet, dass ich jetzt weiter in die Kirche gehe. Denn wenn er’s nicht tut, muss ich auch nicht das Richtige tun.«
Willadee musste lächeln. Wenn ein Kind mit etwas droht, das es auf keinen Fall in die Tat umsetzen kann, sieht ein Erwachsener die Situation gleich etwas entspannter, so als sei alles vielleicht gar nicht so schlimm, wie man zunächst geglaubt hatte. Toy hatte Willadee noch nicht erzählt, dass der Mann, vor dem Blade davongelaufen war, auch derjenige war, der das Pferd misshandelt hatte, also nahm sie an, dass die Sache schon irgendwie gut ausgegangen war. Der Junge hatte vielleicht eine Tracht Prügel bekommen, weil er weggelaufen war, aber seine Eltern waren doch bestimmt froh gewesen, dass er wieder zu Hause war. Und Samuel war es sicher gelungen, an das Gute in allen Beteiligten zu appellieren.
»Doch, das musst du«, sagte sie.
»Ich seh aber nicht ein, warum.«
»Das brauchst du auch nicht. Aber du musst deinem Daddy und mir gehorchen. Wenn du meinst, daran hätte sich etwas geändert, dann bist du auf dem Holzweg.«
Swan wollte sie immer noch nicht ansehen, aber das störte Willadee nicht. Ein Kind, das keine feste Meinung hat, wird es nicht weit bringen, allerdings war es ihr wichtig, wie Swan und ihre Brüder sich Samuel gegenüber verhielten.
»Ich möchte nicht, dass ihr euch so benehmt, wenn euer Daddy nach Hause kommt«, erklärte sie ihnen. »Er hat im Augenblick schon genug Sorgen, da kann er das Gefühl, dass seine Kinder von ihm enttäuscht sind, nicht auch noch gebrauchen.«
»Aber das sind wir«, sagte Swan.
»Ich wünschte, ihm wäre eine andere Lösung eingefallen«, fügte Noble
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