Die Geschichte eines Sommers
Schutz. Er streckte die Hände nach oben, und das Pferd senkte den Kopf nach unten. Es war ein freudiges Wiedersehen.
»Du solltest nie einfach so auf ein Pferd zugehen, das du nicht kennst«, ermahnte ihn Noble. »Diesmal hast du Glück gehabt, aber was, wenn es nun ein tobender Hengst gewesen wäre?«
»Ich kenne ihn«, sagte Blade und strich dem Pferd über die Nüstern. »Nicht wahr, ich kenn dich doch, Snowman?«
Swan seufzte. Sie enttäuschte den Jungen zwar ungern, aber das musste sie richtigstellen.
»Du kannst auch nicht einfach den Pferden anderer Leute einen Namen geben. Er heißt John, und er gehört Oma Calla.«
»Er heißt nicht John, er heißt Snowman«, entgegnete Blade. »Und er gehört Mr Odell Pritchett.«
Noble, Bienville und Swan starrten Blade an. Wusste er, wovon er redete? Keiner von ihnen bemerkte Onkel Toy, der zu ihnen herausgekommen war, um Blade Ballenger zu sagen, er solle zurück ins Haus kommen, weil Samuel ihn zu seinen Eltern bringen wollte.
21
Sobald Blade hörte, was geplant war, nahm er Reißaus. Natürlich kam er nicht weit, da er sich noch innerhalb des Kälberpferchs befand. Er kletterte am Zaun hoch und versuchte rüberzuspringen, doch Toy packte ihn von hinten und hielt ihn fest, während Blade trat und kratzte und wie am Spieß schrie.
»Hey, nun mal schön langsam, mein Junge«, sagte Toy mit leiser und ruhiger Stimme, aber Blade wurde immer wilder. Das Aufbäumen nützte ihm jedoch nichts, denn Toy hatte ihn fest im Griff.
Noble, Bienville und Swan standen bestürzt da. Sie konnten es kaum mit ansehen.
»Du kannst ihn nicht dorthin zurückschicken!«, brüllte Swan und begann auf Toys Beine einzuschlagen – eins von beiden musste die Schläge ja spüren. »Sein gemeiner alter Daddy wird was ganz Furchtbares mit ihm anstellen!«
»Aber wir können ihn nicht behalten, Swan«, sagte Toy. »Das ist gegen das Gesetz. Wüssten wir nicht, wohin er gehört, könnte er vielleicht so lange bei uns bleiben, bis man seine Familie gefunden hat, aber trotzdem müssten wir ihn früher oder später zurückgeben.«
»Du redest so, als ob er ein Hund wäre!«, heulte sie. »Genau so behandelt ihn sein Daddy! Der bindet ihn bestimmt mit einer Kette um den Hals an einen Baum!«
Sie schlug noch immer mit den Fäusten gegen Toys Beine, und auch Blade trat und kratzte, so fest er konnte. Toy Moses machte echt was mit. Endlich zogen Noble und Bienville Swan zurück und hielten sie fest, damit Toy weggehen konnte, ohne dass sie ihn trat. Swan fiel sofort über ihre beiden Brüder her.
Noble wich einem Hieb aus. »Swan«, sagte er, »das bringt doch nichts.«
Es war ein aussichtsloser Kampf, und das wusste Swan auch. Sie machte sich von Noble und Bienville los, setzte sich auf den Boden und schluchzte hilflos.
Mittlerweile war Toy auf dem Hof angekommen. Samuel saß bereits im Auto, der Motor lief, und die Beifahrertür stand weit offen. Toy setzte den Jungen auf den Vordersitz, schloss die Tür von außen und hielt sie so lange fest, bis das Auto losfuhr.
Samuel wollte auf keinen Fall, dass Blade sich fühlte, als wäre er bei ihnen unerwünscht gewesen, deshalb redete er während der Fahrt beruhigend auf den Jungen ein. Er sagte ihm, wie sehr die ganze Familie ihn mochte und dass er gerne jederzeit wiederkommen und mit den Kindern spielen könne, allerdings nur, wenn seine Eltern das erlaubten. Samuel versprach außerdem, dass er mit ins Haus gehen, ein paar Minuten mit Blades Eltern reden und somit versuchen würde, die Wogen etwas zu glätten.
»Wenn in einer Familie etwas nicht so gut läuft, hilft es manchmal, wenn man darüber redet«, erklärte er. »Wenn dein Daddy weiß, was für eine Angst du vor ihm hast, dann tut ihm das vielleicht leid, und er wird sich bemühen, dir zu zeigen, wie gern er dich hat.«
Blade hatte ein kleines Loch in der Wagenpolsterung gefunden und bohrte nun mit einem Finger darin herum. Nicht dass er etwas kaputt machen wollte. Aber was sein musste, musste sein.
»Was meinst du?«, fragte Samuel. »Glaubst du, es könnte helfen, wenn ich mit ihnen rede?«
Sie näherten sich der Kurve, hinter der schon bald der Weg zum Hof der Ballengers abzweigte. Jetzt musste ganz schnell etwas passieren. Blade krümmte seinen Finger in der Polsterung und zog ganz fest. Der Stoff, der so alt war wie das Auto, und das war älter als Blade, rrrrriss!
Samuel trat vor Schreck auf die Bremse. Er hielt zwar nicht an, bremste jedoch ziemlich stark ab. Blade packte
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