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Die Geschichte von Liebe und Sex

Titel: Die Geschichte von Liebe und Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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trug, und ein Junge, der sich den Namen der Farbe Türkis gegeben hatte. Obwohl sie Kinder waren und niemand weiß, woher sie kamen, brachten sie der ersten Frau und dem ersten Mann das Wissen bei, um in der Welt nicht nur zu überleben, sondern sich auch zufrieden einrichten zu können. Muschelweiß und Türkis lehrten sie, wie man Steinäxte herstellt und aus Schilf Körbe flicht. Und sie zeigten ihnen, wie man einander wärmt und Kinder zeugen kann, auch wenn sie selbst als Zwillinge dazu niemals in der Lage sein würden.
    So entstanden die ersten Menschen, die älter wurden und eigene Kinder aufzogen, die wiederum zu erwachsenen Menschen heranreiften. Nur Muschelweiß und Türkis alterten nicht. Da der Junge immer darauf geachtet hatte, dass die Männer auch alle Frauenarbeiten tun konnten, wurden diese am Ende übermütig und zogen auf die andere Seite eines breiten Flusses, weil sie glaubten, die Frauen nicht mehr nötig zu haben. Die Frauen zeigten jedoch den Männern, dass sie auch alle Aufgaben der Männer allein verrichten konnten. Das beeindruckte die Männer so sehr, dass die beiden Geschlechter schließlich wieder zusammenzogen und sich in die vierte und fünfte Welt aufmachten. Das Mädchen Muschelweiß und der Junge Türkis blieben allein zurück in der dritten Welt.
    Afrika: Die Menschen-Tiere und Tier-Menschen der San
    Die San sind eines der ältesten Völker des südlichen Afrika und haben es geschafft, ihre Kultur über Tausende von Jahren beinahe unverändert zu |42| bewahren, auch wenn sie in jüngster Zeit durch eine Einengung ihrer Jagdgebiete immer mehr bedroht sind. In Namibia und Südafrika wurden Felszeichnungen der San gefunden, von denen die ältesten auf rund 30 000 Jahre geschätzt werden. Auffallend ist, dass viele Wesen in diesen Zeichnungen äußerst fantasievoll dargestellt werden – halb Mensch, halb Tier oder auch halb Frau, halb Mann. Menschen können sich sogar in Pflanzen verwandeln. Alle Übergänge zwischen den verschiedenen Formen des Lebens scheinen fließend.
    Über die ersten »Vor-Menschen« erzählen die San, dass manche wie Springböcke oder Löwen ausgesehen haben. Großer Schmerz oder großes Glück konnten so ein Lebewesen in einen Menschen verwandeln: »Wenn wir weinten oder lachten wie die Kinder, dann konnten wir Menschen werden.« Und manchmal wurde diese Veränderung auch rückgängig gemacht: Die Liebe eines jungen Mannes zu einer jungen Frau kann so stark sein, dass der junge Mann zu einem Baum erstarrt und seine Arme wie Zweige in ewiger Sehnsucht nach dem Mädchen ausstreckt. Solche Bäume kann jeder erkennen, der gelernt hat, die Natur wirklich zu verstehen.
    Die Entwicklung der Menschheit bei den San ist nicht linear. Es kann sein, dass die »Vor-Menschen« weniger wussten als die heutigen Menschen. Es kann aber auch sein, dass heutige Menschen weniger wissen als die »Vor-Menschen«. Die Entwicklung des Lebens geht nicht nur von damals nach heute. Sie kann auch in Kreisen gehen, vom Menschen zur Pflanze, vom Tier zum Menschen, ja auch vom Menschen zu einem anderen Menschen. Die Männer jagen, die Frauen gebären die Kinder. Sonst sind sie zuerst Menschen. Oder Tiere. Oder Pflanzen. Oder beides.
    Europa: Das Treibholz der Wikinger
    Die Wikinger waren ein selbstbewusstes und kriegerisches Volk aus Skandinavien. Zwischen dem achten und dem elften Jahrhundert unserer Zeitrechnung verließen sie ihre Heimat, um sich als Seeräuber, Kaufleute und Staatengründer in vielen Teilen Europas einen Namen zu machen. Sie galten als unerschrocken und unbeherrschbar. Jeder Wikinger war |43| frei und durfte über keinen anderen Wikinger herrschen. Auch wenn sich die Männer zuerst als Krieger und Jäger verstanden, galten die Frauen als gleichwertig und hatten das Bewusstsein, wenn nötig jederzeit die Rolle der Männer einnehmen zu können.
    Auf ihren charakteristischen Drachenbooten eroberten sie jenen Teil Nordfrankreichs, der bis heute nach den Nordmännern (oder Normannen) die Normandie heißt, besetzten England, gründeten ein süditalienisches Reich von Neapel bis Sizilien und segelten um das Jahr 1 000 über Grönland bis nach Nordamerika, lange bevor Christoph Kolumbus (1451 – 1506) dort 1492 ankam. Auf dem Landweg drangen sie im Süden bis nach Bagdad vor und gründeten im Osten ein erstes russisches Reich.
    Sie hielten an ihrem Götterglauben in den meisten Teilen der von ihnen eroberten Länder fest und schienen immun gegenüber dem Christentum wie auch

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