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Die Geschichte von Liebe und Sex

Titel: Die Geschichte von Liebe und Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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berichteten, wurden oberste Ruinenteile der Stadt erstmals im 16.Jahrhundert entdeckt. Systematische Ausgrabungen begannen erst ab 1860 und sind bis heute nicht wirklich abgeschlossen. Was die katholisch erzogenen Archäologen anfangs am meisten schockierte, war nicht die Vielzahl erhaltener Leichen (auf die sie vorbereitet waren), sondern die offenen Darstellungen sexueller Szenen in Wandmalereien und Skulpturen. Nicht nur in Bodellen und Badehäusern gab es in teilweise riesigen, farbig gestalteten Fresken abgebildete Liebesszenen nackter Frauen und Männer zu sehen, sondern auch in Privathäusern vieler Bürger zierten zärtliche bis wilde Liebesakte die Wohn- und Schlafzimmer. Als Glücksbringer und Fruchtbarkeitssymbole waren auf öffentlichen Plätzen und an Hauseingängen erigierte Penisse (aufgerichtete männliche Glieder) aus Stein aufgestellt.
    |70| Hatte Pompeji möglicherweise wie die in der Bibel beschriebenen Städte Sodom und Gomorrha eine Strafe Gottes erfahren? Oder hatten die Bewohner von Pompeji einfach gänzlich andere Vorstellungen von Liebe und Sex als die katholischen Entdecker der Ruinenstadt?
    Bevor Teile der versunkenen Stadt endlich im letzten Jahrhundert Besuchern zugänglich gemacht wurden, entschieden die verantwortlichen Autoritäten, die ausdrucksstärksten (oder nach ihrer Meinung obszönsten) Abbildungen herauszuhacken und in verschlossenen Sammlungen im Archäologischen Museum von Neapel, teilweise auch in einer nichtöffentlichen Kollektion im Britischen Museum in London, allein für Forschungszwecke aufzubewahren. Einiges davon ist in den letzten Jahren in »Sammlungen für Erwachsene« zugänglich gemacht worden, einiges ist nach wie vor unter Verschluss, als könne allein das Betrachten eines freizügigeren Umgangs mit Liebe und Sex von vor knapp 2 000 Jahren bereits schweren Schaden bei heutigen Betrachtern anrichten.
    Die Ausbreitung und der Untergang des römischen Reiches durch ungezügelten Machtmissbrauch seiner Kaiser von Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.) über Caligula und Nero und andere bis hin zum letzten, eher hilflosen »Kindkaiser« Romulus Augustulus, mit dessen Absetzung durch den germanischen Heerführer Odoaker 476 n. Chr. das Reich endete, hat so viel mehr mit Diktatur und Gewalt anstatt mit Sexualität, und schon gar nicht mit Liebe zu tun. Wenn Geschichtsschreiber später von Orgien und sexuellen Perversionen einiger römischer Kaiser berichteten, dann wurde dies fälschlicherweise oft gleichgesetzt mit maßlosen sexuellen Freiheiten. Es war aber eben gerade nicht eine wie auch immer geartete sexuelle Freiheit, die hier stattfand, sondern gewalttätige Entgleisungen von Potentaten, die sich auf allen Gebieten, so auch dem sexuellen, in der Missachtung anderer Menschen auslebten. Von Kaiser Caligula wird berichtet, dass er darüber geklagt habe, dass das römische Volk aus so vielen Köpfen bestünde. Hätte es nur einen, könne er ihn leichter abschlagen.
    Demgegenüber lohnt es sich festzuhalten, dass es auch Phasen während des römischen Reiches gegeben hat, in denen Menschen einfühlsam über Liebe und Sex nachdachten und durchaus darauf bedacht waren, die Rechte derjenigen zu stärken, die bislang wenig mitbestimmen konnten oder gar unterdrückt waren. So gab es Zeiten, in denen Sklaven sich durch Ersparnisse |71| freikaufen konnten und Frauen auch Rechte gegenüber Männern in den Bereichen von Eigentum, Scheidungen und Haushaltsführung erhielten.
    Die Liebeskunst des römischen Dichters Ovid (43 v. Chr – zirka 18 n. Chr.)
    Seine ersten Liebesgedichte veröffentlichte Ovid mit 22 Jahren. Darin schrieb er unter anderem: »Auch wenn es dich empört: Das unerlaubte Vergnügen macht Spaß.« Er richtete sie an seine Geliebte Corinna, über die er, da sie möglicherweise als Hure arbeitete, sonst nichts verlauten ließ. Sein Vater war ein wohlhabender Ritter und wollte, dass er Jurist wurde. Doch Ovid war jung und hatte sich entschieden, lieber Dichter zu werden. Das war ein unsicherer Beruf, doch er würde ihn glücklich machen.
    Seine Liebesgedichte machten ihn mit einem Schlag berühmt, auch wenn er sich sein Geld noch lange immer wieder als kleiner Beamter verdienen musste. Wirklicher Erfolg stellte sich schließlich mit seinem Buch Die Liebeskunst ( Ars amatoria ) ein. Dieses Buch ist ein Ratgeber für Männer und Frauen, in dem Ovid erklärt, wie sie ihrem Partner oder ihrer Partnerin sexuelle Lust bereiten können. Es war revolutionär, dass

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