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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Schneemensch-Jimmy kann da nicht mehr sein.« Die drei lächeln Toby herzlich an, als müsse für sie jetzt alles sonnenklar sein.
    »Darf ich mir den Fuß von Schneemensch-Jimmy ansehen?«, fragt sie höflich. Sie haben nichts dagegen einzuwenden, nehmen die Hände aber nicht weg und schnurren weiter.
    Toby nimmt den Stoff ab, mit dem sie am Abend zuvor Jimmys Fuß bandagiert hat, und sieht nach den Maden. Eifrig säubern sie das tote Fleisch; die Schwellung geht schon merklich zurück und die Wunde nässt kaum noch. Die Maden sind fast reif: Morgen muss sie irgendwo ein Stück verfaultes Fleisch auftreiben, in die Sonne legen, Fliegen anlocken und neue Maden züchten.
    »Schneemensch-Jimmy kommt immer näher«, sagt die kleine Frau. »Und dann wird er uns wieder Geschichten des Crake erzählen, genau wie damals, als er auf seinem Baum lebte. Aber heute musst du sie uns erzählen.«
    »Ich?«, sagte Toby. »Aber die kenn ich doch gar nicht, die Geschichten des Crake!«
    »Du wirst sie erfahren«, sagt der Mann. »Es wird geschehen. Denn Schneemensch-Jimmy ist der Helfer des Crake, und du bist der Helfer des Schneemensch-Jimmy. Deshalb.«
    »Du muss dieses Rote aufsetzen«, sagt die kleinere Frau. »Das nennt man Mütze. «
    »Ja, Mütze «, sagt die große Frau. »Am Abend, wenn Mottenzeit ist. Du wirst diese Mütze von Schneemensch-Jimmy aufsetzen und an diesem Glänzenden horchen, und die Worte Crakes werden aus deinem Mund kommen. So würde es Schneemensch-Jimmy machen.«
    »Schau«, sagt der Mann. Er zeigt auf den Schriftzug: Red Sox . »Crake hat das geschaffen. Er wird dir helfen. Und wenn in der Geschichte ein Tier vorkommt, wird auch Oryx dir helfen.«
    »Wir bringen dir einen Fisch, sobald es dunkel wird. Schneemensch-Jimmy isst immer einen Fisch, weil Crake das sagt. Dann wirst du die Mütze aufsetzen und an dem Ding des Crake horchen, und du wirst die Geschichten des Crake erzählen.«
    »Ja, wie Crake uns im Ei erschaffen hat und wie er das Chaos der bösen Männer beseitigt hat. Wie wir das Ei verlassen haben und zusammen mit Schneemensch-Jimmy hierher gelaufen sind, weil es hier mehr Blätter für uns zu essen gab.«
    »Du wirst den Fisch essen und dann die Geschichten des Crake erzählen, genau wie Schneemensch-Jimmy«, sagt die kleinere Frau. Sie betrachten sie mit ihren gespenstischen grünen Augen und lächeln besänftigend. Offenbar haben sie keinerlei Zweifel an ihren Fähigkeiten.
    Habe ich irgendeine Wahl?, denkt Toby. Ich kann nicht nein sagen. Dann sind sie am Ende wütend oder enttäuscht oder sie gehen allein zurück zum Strand und fallen den Painballern in die Hände. Sie wären leichte Beute, vor allem die Kinder. Wie könnte ich das zulassen?
    »Also gut«, sagt sie. »Heute Abend komme ich vorbei. Ich werde die Mütze des Jimmy, ich meine, die Mütze des Schneemensch-Jimmy aufsetzen und euch die Geschichten des Crake erzählen.«
    »Und an dem glänzenden Ding horchen«, sagt der Mann. »Und den Fisch essen.« Es scheint ein Ritual zu sein.
    »Ja, das auch«, sagt Toby.
    Scheiße, denkt sie. Hoffentlich braten sie ihn.

Geschichte
    Während sie den Frühstückstisch abräumte, glaubte Rebecca, zwischen den Bäumen in ein grimmiges Schlägergesicht zu blicken. Doch es war wohl falscher Alarm, denkt Toby: Painballer waren keine aufgetaucht, und besser noch, Rebecca wurde nicht von einem Spraygewehr durchlöchert und es wurde auch kein Crakerkind schreiend ins Gebüsch gezerrt. Dennoch herrscht allgemeine Anspannung.
    Toby bittet die Crakermütter, näher ans Lehmhaus heranzukommen. Auf deren verwirrte Blicke hin erklärt sie, Oryx habe das so angeordnet.
    Der Tag entrollt sich ohne Vorkommnisse. Die Reisenden kehren nicht zurück – kein Shackleton, kein Schwarznashorn, kein Katuro. Auch kein Zeb. Toby verbringt den Morgen im Gemüsegarten mit Graben und Jäten: eine stumpfsinnige Übung, bei der die Zeit vergeht. Immerhin sprießen die ersten Kichererbsen, Spinatblätter und die fedrigen Spitzen der Mohrrüben brechen sich Bahn. Ihre Flinte steht griffbereit.
    Crozier und Zunzuncito treiben die Mo’Hairschafe aus ihrem Verschlag, um sie grasen zu lassen. Beide haben ein Spraygewehr: Bei einer Konfrontation wären sie im Vorteil – zwei Waffen gegen eine –, vorausgesetzt, es ist kein Überraschungsangriff. Toby hofft, dass sie immer daran denken hochzuschauen: So müssen Amanda und Ren von den Painballern überwältigt worden sein, durch einen Sprung aus den Bäumen.
    Warum

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