Die Geschichte von Zoe und Will
und ich stupse sie an. »Was?«
»Ich bin langsam. Ich halte uns auf.«
»Nein, tust du nicht.« Ich bin allerdings ziemlich sicher, dass das nicht das ist, warum sie rot wird, und ich will den Grund unbedingt herausfinden. Ich frage mich dauernd, was sie denkt und was sie sieht, wenn sie mich anschaut, wie sie sich fühlt, wenn sie mit mir zusammen ist. Ihr Gesichtsausdruck und ihr Handeln verbergen nicht viel, aber ich kann einfach nicht anders. Ich will alles wissen. Um sicherzugehen, dass ich das Richtige tue und genau das Zeug sage, was sie hören will.
Ich verstehe Mädchen wahrscheinlich nicht so, wie ich das sollte. Hatte keine Schwestern, keine Mom. Und ich konnte auch nicht von den Mädchen im Heim lernen. Die Mädchen dort wussten ebenfalls nicht, was normal ist.
»Sag mir, wenn du irgendwas brauchst.«
»Ja.«
Ich sitze dort und rieche ihr Haar, während sie zu Ende isst. Es ist kein parfümartiger Geruch, auch nicht fruchtig wie Kokosnuss oder so was, sondern etwas dazwischen. Ein Geruch, an den ich mich gewöhnen könnte.
»Du hast alles, also Shampoo und das ganze Zeug? Alles, was du brauchst?«
Ihre Wangen werden wieder rot, und ich kapiere nicht, was ich gesagt habe, das sie diesmal erröten lässt. Dieses ganze Sich-um-jemand-anderen-Kümmern ist etwas ganz Neues. Den größten Teil meines Lebens habe ich nur für mich selbst gesorgt, bin von einer Pflegefamilie zur nächsten geschoben worden, bis ich schließlich im Heim gelandet bin. Ich habe niemanden an mich rangelassen. Man konnte ja nie wissen, ob die neuen Pflegeeltern Alkoholiker oder Verrückte oder … sonst was waren. Oder ob die anderen Kids noch abgefuckter waren als man selbst. Jetzt muss ich also versuchen herauszufinden, wie ich ihr nicht zu sehr auf die Pelle rücke und trotzdem für sie da bin. Ich habe das Gefühl, als hätte ich nie gelernt, wo diese Linie verläuft. Noch etwas, das ich herausfinden muss.
»Du sagst mir einfach, wenn ich wegen irgendwas anhalten soll, okay?«
»Alles klar.«
Das kleine Glöckchen über der Tür klingelt. Ich blicke auf. Dann wieder nach unten. Zoe isst ihre Haferflocken, als wäre nichts passiert, weil sie es nicht bemerkt hat. Sie muss sich beeilen.
Schau hoch.
Es sind zwei von ihnen, und ja, dort vorm Fenster steht das Auto mit dem Blaulicht auf dem Dach, am Ende vom Parkplatz. Die Bedienung ist noch nicht bei ihnen. Sie stehen immer noch an der Tür.
»Bist du bald fertig?«
Sie wirkt schuldbewusst. »Tut mir leid. Ich beeil mich.«
Ich sinke in die Bank zurück. »Nein, ist schon in Ordnung. Sollte nicht so böse klingen.«
Sie sieht dorthin, wohin ich sehe, und lässt den Löffel fallen. Die Cops treten von einem Bein aufs andere, als wären sie ungeduldig. Oder würden nach etwas Ausschau halten. Mein Magen verkrampft sich.
»Schau nicht zu ihnen rüber«, sage ich zu Zoe.
»Denkst du …«
»Nee. Hier in der Gegend muss es ja auch Cops geben, oder? Ist alles okay.« Ich spiele nervös mit dem Salzstreuer. »Wahrscheinlich ist das hier der einzige Ort, an dem man was zu essen bekommt.«
»Lass uns gehen.«
»Es sieht nicht gut aus, wenn wir jetzt einfach abhauen. Und außerdem müssen wir noch zahlen.«
Die Kellnerin kommt aus der Küche. Schnappt sich zwei Speisekarten. Unterhält sich ein bisschen. Kommt in unsere Richtung. Ich setze mich auf, nehme meine Gabel. Sie sind nicht wegen uns hier, das weiß ich, warum rast dann mein Puls so? Verdammt. Nicht hochsehen. Nicht hochsehen.
Sie kommen näher.
Ich hebe den Kopf. Sehe dem Jüngeren in die Augen. Sehe ich schuldig aus? Er wird wissen, dass ich nicht hier sein dürfte, wenn ich wegschaue.
Verdammt.
Ich schlucke und nicke. Zoe klappert mit ihrem Löffel gegen die Schüssel, und der Cop, der muss doch wissen, dass etwas nicht stimmt. Seine Hand gleitet zu seinem Gürtel, und ich mach mich bereit loszusprinten. Er nickt zurück. Rutscht in die Sitzbank hinter uns.
Zoe macht ein Geräusch.
»Alles in Ordnung«, beruhige ich sie.
»Bin fertig mit Essen.«
»Warten wir noch einen Moment.«
»Wir müssen los.«
»Augenblick. Es darf nicht so aussehen, als würden wir Hals über Kopf rausstürzen.«
Die Bedienung legt uns auf dem Weg zurück zur Küche die Rechnung auf den Tisch. Ich schnappe sie mir.
»Lass uns gehen.«
ZOE
ER GEHT ZUM TRESEN, um die Rechnung zu bezahlen, und er sieht so cool aus, aber ich zittere, während ich im Spalt zwischen Tisch und Sitzbank stehe und beobachte, wie er Geld aus seiner
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