Die Geschichte von Zoe und Will
versteht.
»Das werde ich dir nicht antun.«
»Will. Du und ich.«
Der Himmel flackert unnatürlich grell auf. Weiß und Rot und Blau und Neon tanzen durch die Windschutzscheibe. Wir haben Vegas erreicht, und ich habe nicht einmal bemerkt, wann genau das passiert ist.
Er küsst meine Finger und schüttelt kaum merklich den Kopf.
WILL
ALLEIN DER GEDANKE , dass sie glaubt, das tun zu müssen, lässt mich die Zähne aufeinanderbeißen und die Muskeln in meinem Nacken anspannen, bis mir das Blut in den Kopf schießt. Sie hat nichts falsch gemacht. Noch nicht. Es ist bescheuert von mir, sie das tun zu lassen, sie überhaupt in die Sache reinzuziehen.
Aber ich sehe keinen anderen Weg.
Wir fahren durch Vegas, kommen an all den Lichtern, den Casinos, der falschen Freiheitsstatue und dem falschen Eiffelturm vorbei. Den Dingen, die eigentlich unsere Zukunft sein sollten, unser Zuhause. Aber jetzt müssen wir Straßenschilder nach Kalifornien finden. Es gibt so viele Millionen Menschen in Kalifornien, dass ich denke, na klar, wir können da in der Menge untertauchen. Und wenn niemand weiß, dass wir weiter nach Westen wollen, umso besser.
»Ich werd’s wiedergutmachen.«
»Hör auf.«
»Doch, das werde ich.«
»Ich bin so schrecklich in dich verliebt. Verstehst du?«
Die Art, wie sie das sagt, ist diesmal irgendwie anders. Lieben und verliebt sein. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich kämpfe mit meinem Atem, mein Herz hämmert in meiner Brust. Diese Worte, die aus ihrem Mund kommen, gerichtet an einen Menschen wie mich, die sind … unglaublich. Ein Wunder.
Ich beginne, mit dem Kopf zu schütteln, nicht um Nein zu sagen, dass ich es nicht verstehe, sondern vor Verwunderung. Dass jemand so etwas fühlen kann für jemanden, der so wertlos ist wie ich. Ein solches Nichts ist wie ich. Ich habe nichts, was ich ihr geben könnte, überhaupt nichts. Keinen Job, keine Familie, ich habe nicht mal die Highschool fertig gemacht. Sie ist klug und wunderschön. Sie hat nur das Beste verdient, und ich verstehe einfach nicht, warum sie sich zu mir hingezogen fühlt. Aber wenn ich rauskriege, was es ist, werde ich’s in Flaschen abfüllen und ein verdammter Millionär werden.
Ich wende die Augen von der Straße und küsse Zoe stattdessen.
»Bei der ersten Kleinstadt.«
»Bei der ersten. Mit einem Laden und einer Tankstelle.«
Wenn es irgendwas anderes gäbe, das wir tun könnten, irgendwas, das mich nicht ins Gefängnis bringen und sie mir nicht wegnehmen würde, würde ich’s tun.
Ich fahre auf den nächstbesten Highway, der nach Kalifornien führt, und schon sind wir durch Vegas durch und brausen Richtung Barstow. Ich frage mich, ob die Träume, die ich habe, die wir haben, sich an einem Ort wie Barstow erfüllen können. Der Name hört sich irgendwie schäbig oder nach Wilder Westen an, aber ich bin bereit, ihm eine Chance zu geben.
In der ersten Stadt gibt es wieder Casinos und Hotels. Es kommt einem vor, als würde Vegas niemals enden. Ich fahre weiter, obwohl Zoe protestiert. Ich denke, wir sollten es nicht so nah bei Vegas tun. Und auf einmal taucht diese Tankstelle in der Wüste auf. Mit nichts drum herum. Ich reiße das Lenkrad nach rechts.
Ich parke den Wagen in der hintersten Ecke des Parkplatzes und ziehe den Schlüssel ab. Der Ledersitz quietscht, als ich mich bewege, als würde er uns warnen: Seid nicht dumm. Zoe zappelt neben mir rum. Wir haben schon lange nicht mehr richtig geschlafen. Ich spüre ein regelmäßiges Pochen hinter den Augen. Aber obwohl sie dunkle Augenringe hat, sehen ihre Augen überhaupt nicht müde aus. Sondern entschlossen.
Ich würge. »Das kann ich dir nicht antun.«
Ihre Antwort ist ein langer, inniger Kuss, der mein Inneres und meine Finger mit dem Türgriff verschmelzen lässt. »Warte den richtigen Augenblick ab.«
Und dann ist sie weg.
Ich schaue ihr nach, wie sie über den Parkplatz marschiert und die Ladentür öffnet. Sie blickt sich nicht zu mir um. Wir haben darüber gesprochen, was wir hier tun würden, ein paar Möglichkeiten beratschlagt, wie wir das absolute Minimum von dem ergattern können, was wir brauchen – und dann nichts wie weg.
»Wir wollen nicht, dass wieder irgendjemand verletzt wird«, habe ich gesagt.
»Ich gehe hinein und frage, ob ich die Toilette benutzen darf.« Sie war den Plan noch mal durchgegangen. Hat ihn wiederholt, damit ich sicher war, dass sie wusste, was zu tun ist. »Ich verstopfe die Toilette mit einem Berg Klopapier –
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