Die Geschichte von Zoe und Will
Glastür. Sie geht zum Parkplatz zurück, und er beschimpft sie übelst. Sie hebt den Arm, und etwas segelt durch die Luft. Der Schlüssel zur Toilette. Sie hat ihn in einen Busch geschleudert.
Er ruft ihr über die Schulter hinweg Beschimpfungen zu, während er zum Busch rennt. Ich schließe die Augen gegen die Wut, die sich in mir aufbäumt, aber ich habe keine Zeit dafür, keine Zeit für irgendwelche Gefühle. Ich muss cool und schnell sein. Von hier verschwinden. Sie hat ihren Kopf für mich hingehalten. Soll der Kerl doch diese Sachen zu ihr sagen. Jetzt muss ich meinen Teil der Abmachung einhalten.
Meine Finger huschen in das Regal unter der Ladentheke und umschließen kaltes Metall. Es macht Sinn, dass man in einer einsamen Tanke wie dieser eine Waffe findet. Die landet auch in der Tüte. Dann stürze ich los, bleibe stehen und lasse auch das Päckchen Kaugummi von der Theke mitgehen. Ich schnappe mir eine Schachtel Kekse aus einem Regal in der Nähe der Tür. Stopfe die Tüte in meine Hose. Hoffe, dass mein Sweatshirt die Ausbuchtung genügend verdeckt. Das bringt uns von hier weg, verschafft uns ein paar Minuten Zeit.
»Kleine, reiß dich zusammen,« rufe ich, als ich den Laden verlasse. »Hey! Ich hab kein Sandwich genommen. Die sehen alle aus wie schon mal verdaut. Vielleicht solltest du dir die mal anschauen, wenn du wieder reingehst.«
Ich kann nicht glauben, wie ruhig meine Stimme ist. Als würde ein anderer die Worte sagen.
Ich winke in Richtung des Gebüschs. Der Kassierer hört kurz auf mit Schreien, und winkt mich fort. Zoe ist bereits im Wagen, als ich hineinrutsche, und der Kassierer sucht immer noch nach dem Schlüssel. Ich frage mich, wann er checkt, was wir mitgenommen haben. Ich hoffe, das dauert ein bisschen. Wir brauchen Zeit.
ZOE
ZUM TEIL WAR ES GESPIELT , der Rest ein unerwarteter emotionaler Ausbruch, den ich nicht kontrollieren konnte. Ich spüre, dass sich Will um mich sorgt, sich Gedanken macht, wie viel davon echt und wie viel Show für den Raubüberfall war.
Raubüberfall. Diebstahl. Entführung. Und ein toter Mann.
Was tun wir da nur?
Das Auto fährt zu schnell über ein Schlagloch in der Straße, und das Windspiel, das wir wieder aufgehängt haben, ertönt, aber das einst fröhliche Klingeln erinnert mich nun an Totenglocken.
Wir halten am Rand der nächsten Stadt für genau drei Minuten. Gerade einmal lang genug, um ein paar Gallonen in den Tank zu pumpen. Genug, um uns von hier wegzubringen. Hier gibt es noch mehr Casinos. Blinkende Schilder, blinkende Farben. Die Verheißung von Glück. Sogar eine Achterbahn. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir jemals auf einer Achterbahn so schlecht sein könnte, wie es mir jetzt im Moment ist.
Will springt zurück in den Wagen, und wir fahren wieder los.
Sein Blick ruht auf mir, während er fährt. Seine Augen sind weit aufgerissen, seine Wangen von der Anspannung, dem Adrenalin oder vielleicht auch nur von der Notwendigkeit, wach zu bleiben, gerötet.
Ich bin so müde, dass ich geweint habe, weil ich die Damentoilette nicht benutzen konnte, obwohl ich sie gar nicht benutzen wollte und obwohl ich diejenige war, die sie verstopft hat. Ich bin so müde, ich könnte jetzt allein bei dem Gedanken weinen, was wir getan haben und warum und wie wir mit all dem leben sollen.
Stattdessen presse ich meine Hand gegen die kühle Fensterscheibe und lasse meine Stirn folgen. Die Temperatur beruhigt mich, aber mein Herz rast noch immer. Ich dachte, ich wäre daran gewöhnt, angeschrien und mit Beschimpfungen überschüttet zu werden. Ich dachte, nichts könnte mich mehr ärgern. Aber ich habe es nicht verdient, so behandelt zu werden, und jetzt trifft es mich auf eine Art, die ich nie zuvor für möglich gehalten hätte. Wut brodelt unter meiner Müdigkeit, meiner Angst hervor, doch sie ist nicht groß genug, um mich zu zerstören. Nicht mehr.
»Wie ist es gelaufen?«, frage ich Will nach einer Weile. Ich spreize die Finger und spähe zwischen ihnen hindurch auf eine Wüstenlandschaft voller Mondstrahlen und dunkelgrauer Schatten.
»Wie es gelaufen ist?«, wiederholt er. Ich spüre seine Hand auf meinem Haar. Dieser köstliche Funke direkt aus seinem Herzen, der durch seine Finger in meinen Kopf dringt. Allein seine Berührung beruhigt mein zitterndes Kinn. Ich kann es nicht erwarten, bis wir das alles hinter uns lassen, bis wir wieder aufrichtig sein und Dinge tun können, auf die wir stolz sind. Ich kann es nicht erwarten, ihn wieder
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