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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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worden: »O du … Blusius, wirst … ficht Euch an …«
    (Hier wird das Manuskript ganz unleserlich.) Das Orchester geigte unterdessen lustig drauflos, und das Gelächter des Parterres, der Logen und der Galerie vereinigte sich mit dem Getöse der Instrumente und dem Gesang der Kleinode, um die Kakophonie vollkommen zu machen.
    Einige Schauspielerinnen fürchteten, ihre Kleinode möchten ermüden, Dummheiten zu singen, und anfangen, sie zu sagen. Darum flüchteten sie hinter die Kulissen und kamen mit der Furcht davon. Denn Mangogul hielt sich überzeugt, daß das Publikum nichts Neues von ihnen erfahren würde, und zog seinen Ring zurück. Alsdann verstummten die Kleinode, das Gelächter hörte auf, das Theater ward ruhig, das Stück ging wieder an und nahm ein friedliches Ende. Der Vorhang fiel, der Sultan und die Sultanin fuhren weg, und die Kleinode unsrer Schauspielerinnen begaben sich dahin, wo man ihrer in andrer Absicht wartete, als um sie singen zu hören.
    Dieser Vorfall erregte großes Aufsehn. Die Männer lachten, die Weiber erschraken, die Bonzen nahmen Ärgernis daran, und den Akademikern brummte der Kopf. Was sagte aber Guallonorone? Guallonorone triumphierte. Er hatte in seiner Abhandlung behauptet, die Kleinode würden dereinst auch singen. Jetzt hatten sie gesungen. Diese Erscheinung verwirrte seine Kollegen, ihm war sie ein neuer Lichtstrahl und befestigte vollends sein System.
    Es war am fünfzehnten des Monats * * als Guallonorone der Akademie seine Denkschrift über das Geschwätz der Kleinode vorlas. Da er mit großer Zuversicht untrügliche und mehrfach erprobte Versuche ankündigte, so blendete er damit die meisten. Beim Publikum hielt eine Zeitlang der günstige Eindruck an, den es empfangen hatte, und man glaubte fast zwei Wochen lang, Guallonorone habe eine treffliche Entdeckung gemacht.
    Seinen Triumph zu vollenden, kam es nur drauf an, daß er diese lärmig ausposaunten Versuche vor der versammelten Akademie wiederholte. Man berief deswegen eine Sitzung, die außerordentlich glänzend war. Die Minister begaben sich in dieselbige, der Sultan verschmähte nicht, dabei zu sein, nur machte er sich unsichtbar.
    Mangogul war groß im Monolog-Halten. Die Oberflächlichkeit der Unterhaltung seiner Zeit hatte ihn daran gewöhnt, lieber mit sich allein Selbstgespräche anzustellen: »Dieser Guallonorone,« sagte er zu sich selbst, »ist entweder ein Marktschreier, wie er im Buche steht, oder der Genius, mein Beschützer, ist ein großer Dummkopf. Wenn mein Professor, der doch sicherlich kein Hexenmeister ist, abgeschiedenen Kleinoden die Sprache wieder zu geben imstande ist, so tat mein Genius sehr übel, sich dem Teufel zu verschreiben, um sie lebendigen Kleinoden zu verleihen.«
    Noch war Mangogul in diese Betrachtung versunken, als er sich schon mitten in seiner Akademie befand. Guallonorone hatte, wie man sieht, alle Kenner von Kleinoden in Banza zu Zuschauern. Um mit seinem Publikum vollkommen zufrieden zu sein, fehlte ihm nichts, als daß er sein Publikum mit sich zufriedenstellte, aber der Ausgang seiner Versuche war so unglücklich wie möglich. Guallonorone nahm ein Kleinod, setzte es an den Mund, blies, daß ihm der Atem verging, tat es beiseite, nahm es wieder auf, ergriff ein anderes; denn er hatte Kleinode mitgebracht von jedem Alter, jeder Größe, jedem Stande, und jeder Farbe. Aber er mochte immer blasen: man hörte nichts als unartikulierte Töne, von ganz andrer Art, als er versprochen hatte.
    Darauf entstand ein Murren, das ihn für einen Augenblick aus der Fassung brachte. Er erholte sich aber bald und entschuldigte sich damit, solche Versuche schickten sich nicht wohl vor soviel Personen. Damit hatte er recht.
    Mangogul war sehr aufgebracht, verließ die Versammlung und erschien im Augenblick vor der Favorite: »Nun, gnädigster Herr,« fragte die, sobald sie ihn erblickte, »wer hat recht, Sie oder Guallonorone? Sind seine Kleinode wundertätig?« Der Sultan ging auf und ab, ohne zu antworten. »Ihre Hoheit scheinen unzufrieden?« sagte die Favoritsultanin. »O Madame,« antwortete der Sultan, »die Unverschämtheit dieses Guallonorone geht zu weit! Ich will nichts mehr von ihm wissen. Was wird die Nachwelt sagen, wenn sie erfährt, daß der große Mangogul Hunderttausende von Gnadengehältern auf solche Menschen verwandte, indes tapfere Offiziere, die mit ihrem Blute seiner Stirn Lorbeer netzten, mit vierhundert Pfund Sold vorliebnehmen mußten? Nein, das ist mir zu toll!

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