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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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gehn und schleichen sich ein. Man findet sie bei Hofe, in der Stadt, auf dem Rathause, in der Kirche, im Schauspiel, in den Häusern der Freude, in der Oper, im Kaffeehause, bei den Sitzungen der Akademie. Sie geben sich zu allem her, was man von ihnen verlangt. Sucht ihr eine Stelle? sie wissen den Weg zum Minister. Habt ihr einen Rechtshandel? sie kennen den Advokaten. Liebt ihr das Spiel? sie sind Bankhalter. Die Tafel? sie sind Brüder, Freimaurer. Die Weiber? sie führen euch bei Aminen oder Akaris ein. Welcher von beiden wollt ihr eine Krankheit abkaufen? Wählen Sie nur, sobald sie Ihnen geworden ist, werden die Leute dafür sorgen, sie wieder wegzuschaffen. Ihre Hauptbeschäftigung ist, die schwache Seite einzelner Menschen auszuspähn und die Einfalt des Publikums zu benutzen. Sie sind es, die an den Ecken der Gassen, an den Kirchtüren, am Eingang der Schauspielhäuser, auf Spaziergängen gedruckte Ankündigungen austeilen lassen, wodurch man ihnen gratis die Nachricht gibt, daß Herr Soundso wohnhaft im Louvre, in Saint Jean, im Tempel oder in der Abtei unter dieser und jener Aufschrift im soundsovielten Stocke von neun Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags die Leute in seiner Wohnung betrügt und den übrigen Teil des Tages in der Stadt.
    Kaum fingen die Kleinode an zu reden, als ein Betrüger dieser Art, in allen Häusern von Banza einen kleinen gedruckten Zettel herumtragen ließ von folgender Gestalt und Inhalt. Oben stand mit großen Buchstaben: »Achtung, Ihr Damen!« Gleich darunter in kleinerer Schrift: »mit allergnädigster Bewilligung des Herrn Groß-Seneschall und Genehmigung der königlichen Akademie der Wissenschaften.« Und ganz unten: »Signor Colipolo, Mitglied der königlichen Akademie zu Banza, der königlichen Gesellschaft zu Monoemugi, der kaiserlichen Akademie zu Biafara, der Naturforschenden Gesellschaft zu Monomotapa, des Erekkischen Instituts, der königlichen Akademie zu Beleguanza und Angola, wohlbestellter Professor der Schnurrpfeiferei, der sich seit mehreren Jahren des Beifalls des Hofes, der Stadt und der Provinz erfreut, hat soeben zum Besten des schönen Geschlechts tragbare Maulkörbe oder Mundknebel ersonnen, die den Kleinoden die Sprache benehmen, ohne ihren natürlichen Verrichtungen Einhalt zu tun. Sie sind schicklich und bequem. Man findet ihrer von jeder Größe, für jedes Alter und zu allen Preisen. Er hat schon die Ehre gehabt, Personen von höchstem Stande damit aufzuwarten.«
    Man braucht nur einer bestimmten Körperschaft anzugehören, so hat man gewonnen Spiel. Mag eine Leistung noch so lächerlich sein, sie findet Lobredner und Liebhaber. Also hatte auch dem Colipolo seine Erfindung Glück. Man drängte sich in Menge zu ihm. Galante Damen fuhren in ihrer eignen Kutsche hin, sittsame Frauen nahmen einen Mietwagen, fromme schickten ihren Beichtvater oder ihren Diener, sogar Klosterpförtnerinnen fanden sich ein. Alle wollten einen Maulkorb haben, und von der Herzogin bis zur Bürgersfrau hatte jedes Frauenzimmer den seinigen, entweder aus Mode oder aus Bedürfnis.
    Die Brahminen, welche die Plauderhaftigkeit der Kleinode als eine göttliche Strafe angegeben und sich Sittenverbesserung oder andere Vorteile davon versprochen hatten, begleiteten mit Seufzern die Erfindung einer Maschine, die die Rache des Himmels und ihre Hoffnungen vereitelte. Eben von ihren Kanzeln herabgestiegen, eilen sie wieder hinauf, donnern, wüten, schleudern Bannstrahlen, verkünden Weissagungen, erklären die Maulkörbe für ein Werk der Hölle und sprechen denen die Seligkeit ab, die sich ihrer bedienen würden. »Ihr Weltkinder,« riefen sie, »tut die Maulkörbe von euch, unterwerft euch dem Willen Brahmas! Möge die Stimme der Kleinode die Stimme eures Gewissens erwecken; möget ihr nicht erröten, die Sünden zu bekennen, die ihr euch nicht schämet zu begehn!«
    Sie riefen umsonst. Die Maulkörbe ließen sich so wenig durch Predigten abschaffen, als die bloßen Arme und die durchsichtigen Schleier. Man ließ sie ruhig in ihren Tempeln sich den Schnupfen holen. Man trug die Mundknebel und legte sie nicht eher ab, bis man gesehn hatte, sie wären zu nichts gut, oder bis man ihrer müde war.
    Seit einigen Tagen blieben die Kleinode vor dem Sultan in Ruhe. Er war mit wichtigen Geschäften überhäuft, und so blieben die Wirkungen des Ringes aus. In dieser Zwischenzeit machten sich zwei Damen aus Branza zum Gelächter der ganzen Stadt.
    Sie waren berufsmäßige Betschwestern. Sie trieben

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