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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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ihre Liebeshändel in möglichster Stille und genossen eines so guten Rufes, das ihn selbst die Bosheit ihrer Mitschwestern verschonte. Man sprach in den Moscheen nur von ihrer Tugend. Die Mütter hielten sie ihren Töchtern zum Muster vor, die Männer ihren Frauen. Beider Hauptgrundsatz war, Ärgernis erregen sei die schlimmste Sünde. Diese Gleichheit, ihre Gesinnungen und vorzüglich die Schwierigkeit, ohne große Mühe ihren Nächsten zu erbauen, der so scharfsichtig ist und so gerne Arges denkt, war mächtiger als die Verschiedenheit ihrer Gemütsstimmung und erhielt eine genaue Freundschaft zwischen beiden.
    Zelidens Brahmine verfügte sich zu Sophien; Sophie fand ihren Gewissensrat bei Zeliden; jede brauchte nur mit sich selbst zu Rate zu gehn, um zu wissen, wie es mit dem Kleinod der andern stände. Aber die allgemein verbreitete sonderbare Plauderhaftigkeit der Kleinode setzte beide in peinliche Besorgnis. Sie sahen die Zeit herannahen, wo ihnen die Larven entfallen, wo sie den guten Namen verlieren würden, um dessentwillen sie sich fünfzehn Jahre lang verstellt und geängstigt hatten, was ihnen jetzt große Ungelegenheiten bereitete. Es gab Augenblicke, besonders für Zeliden, wo sie gern ihr Leben hingegeben hätten, um so verschrien zu sein, als der größte Teil ihrer Bekannten. – »Was wird die Welt sagen? Wie wird mein Mann mich behandeln? Wie? Diese so zurückhaltende, so bescheidene, so tugendsame Frau, diese Zelide ist nicht besser wie die andern? Ich möchte verzweifeln, wenn ich daran denke. O ich möchte es am liebsten nie wieder tun, nie jemals getan haben!« rief Zelide erregt aus.
    Sie befand sich gerade bei ihrer Freundin, die eben diese Betrachtungen anstellte, aber nicht so sehr dadurch erschüttert ward. Zelidens letzte Worte brachten sie zum Lächeln. »Lachen Sie nur, gnädige Frau, halten Sie sich nicht zurück, lachen Sie laut auf,« sprach Zelide empfindlich. »Sie haben wohl Ursache.« – »Ich kenne wie Sie,« antwortete Sophie kalt, »die Größe der Gefahr, die uns droht. Aber wie sollen wir ihr entgehn? Denn das werden Sie mir doch wohl zugeben, daß Ihr Wunsch unerreichbar scheint?«
    »Denken Sie auf ein Mittel,« versetzte Zelide. »Was soll ich mich länger quälen?« fragte Sophie, »mir fällt nichts ein. Wir können uns freilich in der Provinz vergraben; aber die Vergnügungen Banzas verlassen und dem Leben entsagen, ist meine Sache nicht. Damit würde mein Kleinod schlecht zufrieden sein!« – »Was machen wir also?« – »Ja, was machen wir nur?« – »Wir überlassen alles der Vorsehung und lachen schon jetzt, wie ich es eben tat, über jede Nachrede. Ich habe bis jetzt nichts unversucht gelassen, einen guten Namen mit Vergnügungen zu vereinigen. Muß man einem von beiden durchaus entsagen, so wollen wir wenigstens unser Vergnügen behalten. Bisher waren wir einzig in unsrer Art. Von nun an gleichen wir hunderttausend anderen. Scheint Ihnen das so hart?«
    »Ja wohl,« erwiderte Zelide. »Es scheint mir allerdings hart, daß ich denen gleichen soll, welchen ich bis jetzt die tiefste Verachtung bezeugte. Diese Schmach zu vermeiden, geh’ ich lieber bis ans Ende der Welt!«
    »Glück auf den Weg, meine Liebe,« sagte Sophie, »ich bleibe hier. Aber noch eins: sehn Sie sich doch vorher nach einem Mittel um, das Ihrem Kleinod verbietet, unterwegs zu plaudern.«
    »Wahrlich,« versetzte Zelide, »der Scherz ist hier sehr übel angebracht, und Ihre Unerschrockenheit …«
    »Sie irren, Zelide, ich bin nichts weniger als unerschrocken. Aus bloßer Ergebung laß ich den Dingen ihren Lauf, den ich nicht ändern kann. Ehrlos sowieso, will ich mir wenigstens den Kummer darüber bis zuletzt aufsparen.«
    »Entehrt!« rief Zelide mit Tränen. »Entehrt! Welch ein Schlag! Das überleb’ ich nicht! Verdammter Bonze, der du mich ins Verderben stürztest! Ich liebte meinen Gemahl. Ich war tugendhaft geboren, ich würde ihn noch lieben, hättest du nicht dein Amt und mein Vertrauen gemißbraucht! Entehrt, teure Sophie!«
    Sie konnte nicht fortfahren, ein Schluchzen unterbrach ihre Worte, und sie warf sich verzweifelnd auf ein Sofa, Zelide fand nun den Gebrauch ihrer Stimme wieder, um weinend auszurufen: »Ach, liebste Sophie, daran gehe ich noch zugrunde. Ich muß zugrunde gehen. Nein, meinen guten Namen überleb’ ich nicht!«
    »Zelide, liebe Zelide, übereilen Sie sich mit dem Sterben nicht,« sagte Sophie, »vielleicht, wer weiß …« »Mir hilft kein Vielleicht! Ich

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