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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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Hand, die der unverschämte Orgoglio nur obenhin wie zur Quittung küßte. Denn stolzer auf sein Talent als auf seine Eroberung, war seine Seele ganz bei seiner Deklamation, und seine gefühlvolle Zuhörerin beschwor ihn, bald aufzuhören, bald fortzufahren. Mangogul schloß aus allen Bewegungen, daß ihr Kleinod gern eine Rolle spielen würde bei dieser Probe, und er zog es vor, das Ende des Auftritts lieber zu erraten, als ihm beizuwohnen. Er verschwand und begab sich zur Favorite, die seiner wartete.
    Der Sultan erzählte ihr den Vorfall. »Was Sie da sagen, Fürst!« rief sie aus. »Sind also die Weiber zum tiefsten Grade der Erniedrigung herabgesunken? Ein Schauspieler! Ein Sklave des Publikums! Ein Lustigmacher! Ja, hätten diese Menschen nur das Vorurteil gegen ihren Stand wider sich! Aber die meisten sind ohne Sitten und Grundsätze, und Orgoglio ist nur ein Klotz unter ihnen. Er hat niemals selbst gedacht, und hätte er nicht Rollen auswendig gelernt, vielleicht würde er nie geredet haben.«
    »Wonne meines Herzens,« antwortete Mangogul, »Sie wissen nicht, worüber Sie klagen. Haben Sie denn Hariens Koppel vergessen? Ein Schauspieler scheint mir doch auch so viel wert wie ein Mops.«
    »Sie haben recht, Fürst,« versetzte die Favorite. »Ich bin nicht gescheit, daß ich mich um Geschöpfe bekümmere, die der Mühe nicht wert sind. Palabria bete ihre Wechselbälge an; Salica lasse ihre Nervenschwäche durch Farfadi vertreiben, wie sie es versteht; Haria lebe und sterbe mitten unter ihrem Vieh; Erifile gebe sich allen Seiltänzern von Congo preis: was geht das mich an? Ich kann nichts dabei verlieren als ein Lustschloß. Das muß ich aufgeben, seh’ ich, und ich bin ganz dazu entschlossen.«
    »Ade, kleiner Wickelschwanzaffe!« sagte Mangogul.
    »Ade, kleiner Wickelschwanzaffe!« wiederholte Mirzoza, »und ade auch du gute Meinung, die ich von meinem Geschlecht hatte! Die werd’ ich wohl niemals wieder finden. Fürst, erlauben Sie mir, daß ich wenigstens vierzehn Tage lang kein Frauenzimmer vor mich lasse?«
    »Man muß doch Menschen sehn,« versetzte der Sultan.
    »Ich werde Ihrer Gesellschaft genießen oder warten,« antwortete die Favorite, »und sollte ich einige Augenblicke übrig haben, so geb ich sie Ricarie oder Selim, die mir zugetan sind, und deren Umgang mir gefällt. Hab’ ich der Gelehrsamkeit meines Vorlesers genug, so wird ihr Kammerherr mich mit den Erfolgen seiner Jugend unterhalten.«
    Die Favorite liebte die schönen Geister, ohne selbst schöner Geist sein zu wollen. Man erblickte auf ihrem Nachttische unter Schmuck und Putz die neuesten Romane und die flüchtigen Stücke der Zeit; sie beurteilte sie sehr richtig. Sie ging, ohne sich dabei eine Blöße zu geben, von einer Partie Cavagnol oder Binibi zu der Unterhaltung mit einem Akademiker oder Gelehrten über; und alle gestanden, die bloße Feinheit ihres Gefühls entdeckte ihr zuweilen Schönheiten oder Fehler in deren Werken, die dem Auge der Kenner entgangen wären. Mirzoza setzte sie durch ihren Scharfsinn in Erstaunen, brachte sie durch ihre Fragen in Verlegenheit, aber mißbrauchte den Vorteil niemals, den ihr Witz und Schönheit gaben. Es war durchaus nicht unangenehm, ihr gegenüber unrecht zu haben.
    Gegen das Ende eines Nachmittags, den Mangogul bei ihr zugebracht hatte, kam Selim, und sie ließ auch Ricarie rufen. Selims Schilderung hat der gelehrte Afrikaner sich für eine andre Stelle aufgehoben. Hier teilt er uns nur mit, daß Ricarie Mitglied der Akademie von Congo sei, daß seine Gelehrsamkeit ihn nicht verhinderte, viel Verstand zu besitzen, daß er gründlich in die Kenntnis vergangener Dinge eingedrungen sei, einen gewissenhaften Eifer für die Regeln der Alten zeigte, die er beständig im Munde führte, daß er ein Prinzipienreiter war und der eifrigste Anhänger der ersten Congoschen Schriftsteller, vornämlich aber eines gewissen Mirufla, der vor ungefähr 3100 Jahren ein erhabenes Poem in kaffrischer Sprache über die Eroberung eines großen Waldes verfaßte, woraus die Kaffern Affen verjagt hatten, die seit undenklicher Zeit darinnen wohnten. Ricarie hatte ihn ins Congosche übersetzt und eine schöne Ausgabe des Originals besorgt mit Anmerkungen, Scholien, Varianten und allen Verzierungen eines gelehrten Benediktinerkodex. Auch besaß man von ihm zwei nach allen Regeln der Kunst schlechte Trauerspiele, ein Loblied auf die Krokodille und einige Opern.
    »Gnädige Frau,« sprach Ricarie mit einer Verbeugung,

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