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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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»hier ist ein Roman, den man der Marquise von Tamazi zuschreibt, unglücklicherweise aber erkennt man Mathazens Hand darin. Dies ist die Antwort unsers Präsidenten Lambadago auf die Rede des Poeten Tuxigraph, sie ist erst gestern herausgekommen. Dies ist Tuxigraphens Tamerlan.«
    »Das ist bewundernswert,« sagte Mangogul. »Die Druckerpressen haben weder Ruh noch Rast. Täten die Ehemänner von Congo ebenso ihre Schuldigkeit wie die Schriftsteller, ich könnte in weniger als zehn Jahren sechzehnmal hunderttausend Menschen auf die Beine bringen und Monoemugi erobern. Den Roman lesen wir bei Gelegenheit. Jetzt wollen wir uns die Rede ansehen, vor allem die Stellen, die mich betreffen.«
    Ricarie durchlief sie mit den Augen, und dabei fiel sein Blick auf folgende Periode:. »Die Vorfahren unsers erlauchten Kaisers haben sich ohne Zweifel berühmt gemacht. Aber Mangogul, größer als sie, hat den Jahrhunderten der Zukunft weit mehr Gelegenheit gegeben, ihn zu bewundern. Was sag’ ich bewundern? Um es genauer auszudrücken: sie werden kaum glauben wollen, was sie hören. Hatten unsere Vorfahren schon recht, zu versichern, die Nachkommenschaft werde die Wunder von Kanoglus Regierung für Märchen achten; wie viel mehr recht haben wir, zu denken, unsre Enkel werden die Weisheit und Tapferkeit, deren Zeugen wir sind, für übernatürlich und unmöglich halten!!!«
    »Armer Lambadago,« sagte der Sultan, »was bist du für ein erbärmlicher Phrasenheld! Ich habe recht, zu glauben, daß deine Nachfolger dereinst meine Ehre durch die Ehre meines Enkels verdunkeln lassen werden, wie du jetzt den Ruhm meines Großvaters vor dem meinigen verschwinden läßt. Das wird immer so fortgehen, solang’ es Akademiker gibt. Was halten Sie davon, Herr Ricarie?«
    »Ich kann weiter nichts sagen, gnädigster Herr,« antwortete Ricarie, »als daß die Periode, die ich Ihrer Hoheit vorgelesen habe, dem Publikum ungemein gefiel.«
    »Desto schlimmer,« erwiderte Mangogul. »Ist denn der Geschmack für wahre Beredsamkeit in Congo ganz erloschen? So lobte der erhabene Homilogo den großen Aben nicht.«
    »Gnädigster Herr,« antwortete Ricarie, »wahre Beredsamkeit ist nicht anders als die Kunst, in edlen Ausdrücken und zugleich angenehm und überzeugend zu sprechen.«
    »Und vernünftig,« sagte der Sultan. »Nun richten Sie über Ihren Freund Lambadago. Ich habe alle Achtung für die neuere Beredsamkeit, aber er ist ein verlogener Deklamator.«
    »Aber Fürst,« versetzte Ricarie, »bei aller Eurer Hoheit schuldigen Ehrfurcht möchte ich mir doch erlauben – – –«
    »Ich erlaube Ihnen,« fiel Mangogul lebhaft ein, »den gesunden Menschenverstand höher zu achten als meine Hoheit; und mir aufrichtig zu gestehen, ob ein beredter Mann sich erlauben dürfe, diesen Menschenverstand zu verleugnen?«
    »Nein, gnädigster Herr,« antwortete Ricarie, und er wollte eben eine lange Reihe von Autoritäten aufzählen und alle Redner von Afrika, Arabien und China anführen, um eine Sache zu beweisen, die sich von selbst verstand, als Selim ihn unterbrach.
    »Alle Ihre Schriftsteller,« sprach der Hofmann, »werden mir nie beweisen, daß Lambadago etwas anders, als ein ungeschickter unbescheidner Schwätzer sei. Vergeben Sie mir diese Ausdrücke, Herr Ricarie. Ich schätze Sie ganz besonders, aber alle kollegialen Vorurteile beiseite: müssen Sie uns nicht darin recht geben, daß unser gnädigster Herr, der gerecht, liebenswürdig, wohltätig und ein großer Krieger ist, der Stelzen Ihrer Redner nicht bedarf, um ebensogroß zu sein als seine Vorfahren? Ein Sohn, den man dadurch erhebt, daß man seinen Vater und Großvater herabsetzt, muß wohl lächerlich eitel sein, wenn er nicht fühlt, man entstelle ihn mit einer Hand, indem man ihn mit der andern verschönert. Oder wäre Ihre Meinung: wer beweisen wolle, daß Mangogul einen ebenso ansehnlichen Wuchs habe, als einer seiner Vorgänger, müsse notwendig den Bildsäulen Erguebzeds und Kanoglus die Köpfe herunterschlagen?«
    »Herr Ricarie,« sprach Mirzoza dazwischen, »Selim hat recht. Lassen wir jedem, was ihm zukommt, und hüten wir uns, beim Publikum den Verdacht zu erregen, unsre Lobreden seien eine Art heimlichen Diebstahls am Gedächtnis unsrer Väter. Sagen Sie das meinetwegen der versammelten Akademie in der nächsten Sitzung.«
    »Man ist seit zu langer Zeit auf diesen Ton gestimmt,« sagte Selim, »als daß ich hoffen könnte, diese Warnung werde etwas nützen.«
    »Ich glaube, Sie irren

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