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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feucht Wanger
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ungefährdet ins Ausland zu schaffen. Umständlich setzt er Gustav die Einzelheiten auseinander. Das Geschäft war mit großer List erdacht, alles vollzog sich durchaus legal, die schlauen Vorschriften der Devisengesetzgebung waren mit Klugheit umgangen.
    Mühlheim trank in kleinen Schlucken seinen schwarzen Kaffee. Geduldig, eines aus dem andern entwickelnd, erklärte er dem Freunde die ganze, komplizierte Aktion. Gustav hörte behaglich zu, nervös zwinkernd, mit der kräftigen, behaarten Hand eine Melodie auf seine Schenkel klopfend. Das »Auge Gottes« wanderte hin und her, Immanuel Oppermann schaute schlau, wohlwollend, schläfrig auf seinen Enkel. Großvater Immanuel hatte es leicht gehabt; er war nie vor solchen Problemen gestanden. Übrigens hätte er vermutlich Mühlheims Angebot mit Handkuß angenommen. Aber ihm, Gustav, ging es nun einmal gegen den Strich. Sein Gefühl sträubte sich dagegen. Verwirrung, innerer Widerspruch spiegelten sich auf seinem Gesicht, das niemals eine Regung verbarg.
    Mühlheim ärgerte sich, ereiferte sich. Für wen denn wollte Gustav Geld in Deutschland lassen? Für die Militaristen, damit sie es für geheime Rüstungen verpulvern? Für die Großindustriellen, damit sie es für äußerst zweifelhafte Lieferungen an Rußland verwenden, für die das Geld doch nie hereinzubekommen ist? Für die Völkischen, damit sie ihre Sturmtruppen damit besolden, die Propaganda ihres Führers davon bezahlen? Für die dreizehntausend Großagrarier, damit sie weitere Milliarden in ihre sinnlose Wirtschaft stecken?
    Gustav stand auf, lief mit schnellen, steifen Schritten hin und her, mit ganzer Sohle auftretend. Sicher hatte Mühlheim recht. Die Gelder, die man an den Staat zahlte, wurden für sehr andere Dinge verwendet als für die Interessen der Gesamtheit. Sie wurden nicht zu seinem, Gustavs, Schutz verwendet, sondern zum Angriff auf ihn. Aber immerhin dienten sie dazu, Ordnung, wenn auch eine falsche, aufrechtzuhalten,und Gustav hielt es mit Goethe, der Ungerechtigkeit lieber als Unordnung hinnahm. Er streckte Mühlheim die kräftige, behaarte Hand hin. »Ich danke dir, Mühlheim, daß du an mich gedacht hast. Aber ich lasse mein Geld in Deutschland.«
    Mühlheim nahm die Hand nicht. Sah verdrossen auf den Störrischen. Die Sache war todsicher. Sie war streng legal. Die Gesellschaft, für die Gustav zeichnen sollte, zählte eine Reihe von Deutschnationalen, selbst von Völkischen zu ihren Aktionären. Eine Gelegenheit, auf so sichere Art Geld ins Ausland zu schaffen, kam nicht wieder. Der Zeichnungsschluß lief morgen, mit dem Jahresende, ab. Was wollte Gustav eigentlich? Woran lag es? Wo waren seine Einwände? Er möge ihm doch gefälligst seine Argumente sagen.
    Gustav, bedrängt, lief hin und her. Argumente? Es gab keine Argumente. Er fand es unfair, sein Geld aus Deutschland herauszuziehen. Er hing nun einmal an Deutschland. Das war alles. Sentimentale Bedenken, gewiß, die vor Mühlheims Logik nicht standhalten. Aber er ist nun einmal sentimental. Warum, er lächelte jungenhaft, spitzbübisch, warum soll sich der Besitzer von einer halben Million liquiden und eines mindestens doppelt so großen illiquiden Kapitals nicht ein wenig Sentimentalität leisten?
    »Eben damit du dir auch in Zukunft diese Sentimentalität leisten kannst, Idiot«, erhitzte sich lachend Mühlheim, »sollst du ein paar Hunderttausend sicherstellen.«
    Nach einigem Hin und Her willigte Gustav ein, zwar nicht vierhunderttausend, wie Mühlheim gewollt hatte, wohl aber zweihunderttausend Mark für die Aktiengesellschaft zu zeichnen. Mühlheim atmete auf. Jetzt hatte er seinem törichten Freund wenigstens eine gewisse Sicherheit geschaffen. Gustav unterzeichnete die Vollmacht, die Mühlheim ihm vorlegte. »Vergiß übrigens nicht«, sagte er stolz, »daß ich außerdem noch zweihundert Mark Monatseinkommen vom Lessing habe.«
    Die lästigen Geschäfte hinter sich, wurde er schnell wiedervergnügt, und als Friedrich Wilhelm Gutwetter kam, strahlte er wie je. Mühlheim konnte sich von der Politik so schnell nicht losreißen. »Wir haben den entfesselten Proletarier gesehen«, erklärte er, »das war nicht schön. Wir haben den entfesselten Großbürger gesehen, den Großagrarier und Militaristen, das war scheußlich. Aber alles das wird ein Paradies gewesen sein, wenn wir erst den entfesselten Kleinbürger erleben, die Völkischen und ihren Führer.« – »Glauben Sie wirklich, verehrter Professor?« wunderte sich

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