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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feucht Wanger
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dauern, bis die Bestätigung da sei.
    Es war ein läppischer Vorfall, der Edgar Oppermann aus der freiwilligen Blindheit riß, mit der er sich bisher gegen die wüste Wirklichkeit geschützt hatte. An einem der nächsten Nachmittage nämlich wurde ein Patient der dritten Klasse, den man unentgeltlich behandelte, dabei betroffen, wie er gegen strenges Verbot eine Zigarre rauchte. Der Mann litt an einer Kehlkopfkrankheit; daß er rauchte, schädigte nicht nur die andern Kranken seines Saales, sondern am meisten ihn selber. Die Aufsichtsschwester bat den Mann höflich, sich das Rauchen vorläufig zu versagen. Er machte Witze, gehorchte nicht. Sie wurde dringlicher, er trotziger. Schließlich mußte sie den diensttuenden Arzt zur Hilfe rufen, Dr. Jacoby. Das Erscheinen des kleinen, häßlichen Juden machte den Mann vollends rabiat. Mit seiner kranken, heiseren Stimme bellte er, er scheiße auf das, was die jüdischen Ärzte ihm kommandierten.Der ganze Betrieb hier könnte ihn am Arsch lecken, der Professor als erster. Er habe es satt, hier das Versuchskaninchen zu markieren. Er, ein deutscher Mann, werde dem feinen Herrn Professor in den deutschen Zeitungen eine Stearinkerze anstecken. Der kleine Doktor stand aschgrau, hilflos. Die andern Patienten mischten sich ein. Von allen Seiten brach es los, kläffend, bellend, heiser. In ihren blaugestreiften Krankenkitteln drangen sie auf Dr. Jacoby ein, aus ihren Betten heraus schrien sie. Er hatte für den schreienden, meuternden Saal nichts als Argumente der Vernunft, das am wenigsten geeignete Beruhigungsmittel. Schwester Helene kam auf die glückliche Idee, Dr. Reimers zu rufen. Der brachte die Rebellen mit ein paar kräftigen, unflätigen Flüchen zur Ruhe. Er scheute sich nicht, den Rädelsführer an den Schultern zu packen, ihn kräftig zu schütteln, aus der Anstalt hinauszuweisen. Den andern sprach er auf männliche, derbe Art gut zu. Diejenigen, die zuerst am lautesten auf Seite des rauchenden Meuterers gestanden waren, fanden jetzt, er sei ein Stänker, der auch an Hindenburg und dem lieben Gott kein gutes Haar lasse, und bald hörte man im Saal nur mehr die leise Stimme Schwester Helenens.
    Die Veränderungen im Möbelhaus Oppermann, die Hetzartikel gegen seinen Bruder Gustav, die gemeinen Aufsätze gegen ihn selber hatten Edgar wenig angefochten: diese läppische Meuterei warf ihn um. Er begriff es nicht, wie Kranke, denen man mit so beflissener Wissenschaft geholfen hatte, trotz des augenscheinlichen Erfolgs über ihre Ärzte herfielen. Daß diese Leute, wenn auf der einen Seite ihr eigenes Erlebnis, auf der andern ein dummer Hetzartikel stand, sich gegen ihr Erlebnis für den Hetzartikel entschieden, erschütterte ihn. Er erklärte Schwester Helene, jetzt werde er klagen.
    Schon am andern Tag kam er mit Professor Arthur Mühlheim zusammen. Er fragte Mühlheim, ob man nicht, da er, Edgar, doch in der Öffentlichkeit stehe, den Staatsanwalt veranlassen könnte, ex officio Klage zu erheben. Mühlheim, statt aller Antwort, fragte, wie alt Edgar sei. Dann holte ereinen Kognak, gebrannt in Edgars Geburtsjahr, schenkte ihm ein, verzog das vielgefältete, listige Gesicht zu einem fatalen Lächeln, sagte: »Ich fürchte, Edgar, viel andern Rat werde ich Ihnen nicht geben können.«
    Edgar, betreten, fragte wieso und warum. Stand es nicht außer Frage, daß die Behauptungen dieser Zeitungen schamlose Lügen waren? Ein ungeheures Material, das dies auf eine auch jedem Laien faßbare Art bewies, konnte beigebracht werden. Was also sollte ihn hindern, Klage anzustrengen? Lebte man nicht in einem Rechtsstaat?
    »Bitte, wie?« sagte Mühlheim. Und da er die Augen des andern geradezu erschreckt auf sich gerichtet sah, erklärte er: »Selbst wenn Sie schon vor einem Monat zu mir gekommen wären, Edgar, als ein Teil der Gesetze wenigstens formal noch in Geltung war, selbst dann hätte ich Ihnen als gewissenhafter Anwalt von einer Klage abraten müssen. Die Artikelschreiber hätten nämlich versucht, den Wahrheitsbeweis anzutreten.« – »Aber …«, warf Edgar entrüstet ein. »Ich weiß schon«, winkte Müllheim ab, »ein solcher Wahrheitsbeweis hätte nie glücken können. Allein die Gegner hätten Ihnen neue, immer abstrusere und niederträchtigere Dinge angedichtet, das Gericht hätte Erhebung über diese Dinge immer wieder zugelassen, man hätte Ihnen so viel Dreck an den Schädel geschmissen, daß Sie vor Ärger krepiert wären. Vergessen Sie nicht, Edgar, daß unsere Gegner

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