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Die Gesellschaft des Abendsterns

Die Gesellschaft des Abendsterns

Titel: Die Gesellschaft des Abendsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Mull
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einen besseren Blickwinkel zu bekommen. Sie war ein gutes Stück entfernt, aber wenn er die Hütte erreichen konnte, wusste er, wie er von dort aus zum Haupthaus zurückfand. Seth schaute sich ein letztes Mal um und saugte alle Einzelheiten in sich auf, die er erkennen konnte. Wenn er erst wieder unten war, würde der Weg nicht einfach sein. Aber die Sonne sank bereits, und die Schatten waren lang genug, dass er an ihnen ablesen konnte, in welcher Richtung Westen lag. Und wenn er das wusste, sollte er imstande sein, die Richtung zu halten, während er auf die Hütte zuwanderte.
    Er ging zum Fenster zurück und kletterte wieder ins Haus, wo er die Fensterläden schloss und verriegelte. Dann sah er sich in dem Raum um. Er war gut eingerichtet, aber Seth entdeckte nichts, was es wert gewesen wäre, es den ganzen Weg bis zur Hütte zu tragen. Und jetzt, da er einmal hier gewesen war, würde er den Weg hierher jederzeit wiederfinden. Vielleicht lag ja irgendwo Geld oder Schmuck herum, möglicherweise im Hauptschlafzimmer. Es konnte nicht schaden, sich ein wenig umzusehen, bevor er aufbrach. Das Haus war verlassen, also wäre es auch kein Diebstahl. Ein guter Ausgangspunkt für seine Suche war wahrscheinlich der erste Stock, in dem die Räume größer gewirkt hatten. Nachdem er schnell in einige Kommoden und in einen Nachttisch geschaut hatte, verließ Seth den Raum. Er blieb stehen und
sah zum entgegengesetzten Ende des Flurs hinüber, wo der Staub auf dem Boden in einem niedrigen Kreis umherwirbelte. Der Anblick war beunruhigend: kreiselnder Staub in Höhe seiner Schienbeine? Woher kam der Luftzug?
    Die Treppe, die hinunter in den ersten Stock führte, lag genau zwischen ihm und dem Staubwirbel. Seth merkte, dass sein Mund plötzlich ganz trocken war. Er wollte sich nicht näher an den Staubwirbel heranwagen, aber in der anderen Richtung mündete der Flur in eine Sackgasse.
    Seth bewegte sich vorsichtig auf den unnatürlichen Wirbel zu. Plötzlich begann der Staub wilder zu kreiseln und erhob sich in einer Säule vom Boden bis zur Decke. Seth rannte auf die Treppe zu, und der Staubteufel tat das Gleiche. Etwas sagte ihm, dass er, wenn er das Wettrennen zur Treppe verlor, es zutiefst bereuen würde.
    Seine stampfenden Schritte wirbelten noch mehr Staub auf, was aber kaum einen Unterschied machte, da die seltsame Windhose bereits den ganzen Flur mit kleinen Partikeln füllte, so dass Seth kaum etwas sehen konnte. Seth blinzelte und zog den Kopf ein. Als er die Treppe erreichte, war der Wirbelwind nur noch drei Meter entfernt. Wind riss an seinen Kleidern.
    Seth spurtete die Treppe hinunter, das Rauschen des Staubteufels dicht hinter ihm. Am Fuß der Treppe bog er schnell in den Flur ein, der zu der prächtigen Veranda führte. Es klang, als wäre ihm ein Hurrikan auf den Fersen.
    Seth wagte nicht, sich umzusehen, er rannte nur, so schnell er konnte. Etwas krachte direkt hinter ihm gegen die Wand. Heulender Wind erfüllte seine Ohren, und Seth musste husten. Er hatte das Gefühl, als hätte er sich in einem Sandsturm verirrt. Der Staub von Jahrzehnten machte die Luft so dick, dass man sie kaum atmen konnte.
    Als er schon fast an der Vordertür angekommen war, warf
Seth einen Blick hinter sich. Der Wirbel war noch größer geworden. Er jagte quer durch die hohe Eingangshalle auf ihn zu und wurde stetig größer. Aus seinem Zentrum wuchsen Staubtentakel und streckten sich nach ihm. Eisiger Wind schlug ihm ins Gesicht, Staub brannte in seinen Augen.
    Seth stürzte zur offenen Tür hinaus und schlug sie hinter sich zu. Während der Staub ihn in der Kehle würgte, jagte er die Treppe hinunter zur Auffahrt und sprintete über den Hof in die Richtung, in der die Hütte lag. Erst als das Herrenhaus außer Sicht war, verlangsamte er seine Schritte.
     
    Kendra saß mit Warren am Tisch und zermarterte sich das Hirn über die Frage, was sie als Nächstes tun sollte. Mendigo stand draußen vor dem Fenster Wache. Trotz der Gesellschaft des stummen Albinos und der riesigen Marionette hatte sie sich selten so allein gefühlt.
    Mendigo hatte sich als recht nützlich erwiesen. Nachdem er auf dem kleinen Hügel, der die Vergessene Kapelle bedeckte, Frühstück für sie gesammelt hatte, hatte die Marionette sie huckepack zu Warrens Hütte getragen, während die Morgendämmerung erste Streifen über den Himmel zog.
    Aber jetzt verblasste der Tag langsam wieder, und sie hatte immer noch keinen Plan, außer immer wieder aus dem Fenster zu sehen,

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