Die Gesellschaft des Abendsterns
zuhause zu bleiben.«
»Da fällt mir etwas ein«, sagte Coulter. »Ich bin in mancherlei Hinsicht ein wenig altmodisch, und diese Haltung spielt auch in unserem kleinen Arrangement eine Rolle. Nennt es überholte Ritterlichkeit, aber es gibt einige Orte, die Frauen meiner Meinung nach nicht besuchen sollten. Nicht weil sie nicht intelligent oder tüchtig wären. Ich bin einfach der Meinung, dass eine Dame mit einem gewissen Respekt behandelt werden sollte.«
»Wollen Sie damit sagen, es gibt Orte, zu denen Sie Seth mitnehmen, aber mich nicht?«, fragte Kendra.
»Genau das will ich damit sagen. Und du kannst mir so viele feministische Vorträge halten, wie du willst, ich werde meine Meinung nicht ändern.« Coulter breitete die Hände aus. »Wenn du willst, dass jemand anderer dich dort hinführt, und der Betreffende bereit dazu ist, kann ich nicht viel dagegen tun.«
»Was ist mit Vanessa?«, rief Kendra ungläubig. »Und mit Oma?« Obwohl ein Teil von ihr nicht einmal den Wunsch hatte, die gefährlichen Orte zu besuchen, von denen Coulter redete, fand sie die Vorstellung, dass ihr Geschlecht sie daran hindern sollte, zutiefst beleidigend.
»Vanessa und deiner Oma steht es frei, zu tun, was ihnen beliebt, genau wie dir. Aber auch mir steht es frei, zu tun,
was mir beliebt, und es gibt einige Orte, an die ich eine Frau lieber nicht bringen möchte, ganz gleich, wie tüchtig sie sein mag, Vanessa und deine Oma eingeschlossen.«
Kendra stand auf. »Aber Seth würden Sie dort hinbringen? Er ist zwei Jahre jünger als ich und praktisch hirntot!«
»Mein Gehirn steht hier nicht zur Debatte«, bemerkte Seth, der offensichtlich seinen Spaß an der Diskussion hatte.
Coulter deutete mit seinem Gehstock auf Seth. »Mit zwölf Jahren ist er auf dem Weg dazu, ein Mann zu werden. Es gibt jede Menge Orte, an die ich keinen von euch bringen würde, falls dich das tröstet. Orte, an die ich keinen von euch bringen würde, solange ihr nicht viel älter und erfahrener seid. Es gibt sogar Orte, die selbst wir Erwachsenen nicht aufsuchen würden.«
»Aber es gibt Orte, zu denen Sie meinen kleinen Bruder mitnehmen würden und mich nicht, nur weil ich ein Mädchen bin«, hakte Kendra weiter nach.
»Ich hätte das Thema nicht zur Sprache gebracht, wenn ich nicht jetzt schon wüsste, dass es in den nächsten Tagen dazu kommen wird«, erklärte Coulter.
Kendra schüttelte den Kopf. »Unglaublich. Sie wissen, dass es Fabelheim ohne mich gar nicht mehr gäbe.«
Coulter zuckte entschuldigend die Achseln. »Du hast etwas Wunderbares getan, und ich versuche nicht, dieses Verdienst zu schmälern. Ich rede nicht von Fähigkeiten. Wenn ich eine Tochter und einen Sohn hätte, gäbe es gewisse Dinge, die ich mit dem einen und nicht mit dem anderen tun würde. Ich weiß, heutzutage versuchen alle so zu tun, als wären Jungen und Mädchen gleich, aber ich sehe das anders. Und falls du dich damit besser fühlst: Ich werde alles, was ich weiß, euch beiden erklären, und die meisten Orte, die wir besuchen, werden wir alle drei besuchen.«
»Und ich werde jemand anderen dazu bewegen, mich dort
hinzubringen, wohin Sie mich nicht mitnehmen wollen«, versprach Kendra.
»Das ist dein gutes Recht«, erwiderte Coulter.
»Können wir jetzt das Thema wechseln?«, fragte Seth.
»Können wir?«, fragte Coulter Kendra.
»Ich habe nichts mehr zu sagen«, erwiderte Kendra, immer noch frustriert.
Coulter tat so, als hätte er ihren Tonfall überhört. »Wie ich euch gerade erzählt habe, sind magische Gegenstände mein Spezialgebiet. Es gibt alle möglichen Arten von magischen Gegenständen auf der Welt. Viele davon sind ausgebrannt, sie waren früher einmal magisch, aber ihnen ist die Energie ausgegangen, und sie haben ihre Macht verloren. Andere funktionieren noch immer, können aber nicht beliebig oft benutzt werden. Und wieder andere scheint ein endloser Vorrat an magischer Energie zu speisen.«
»Ist der Handschuh begrenzt?«, fragte Seth.
Coulter hielt den Handschuh hoch. »Ich benutze ihn seit Jahren, und die Wirkung scheint nicht nachzulassen. Soweit ich es erkennen kann, wird er auf ewig funktionieren. Aber wie die meisten magischen Gegenstände hat er gewisse Beschränkungen.« Er streifte ihn über und verschwand. »Solange ich stillhalte, könnt ihr mich nicht sehen. Eine andere Geschichte ist es, wenn ich mich bewege.« Coulter kam für einen Sekundenbruchteil in Sicht, verschwand wieder und wurde abermals kurz sichtbar, als er mit dem
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