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Die Gesellschaft des Abendsterns

Die Gesellschaft des Abendsterns

Titel: Die Gesellschaft des Abendsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Mull
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durch die Wolken zu sickern, um die Nacht etwas zu erhellen: Obwohl es sehr dunkel war, konnte sie den Rasen und das Gitterwerk der Pavillons erkennen, ja sogar die Blätter der Büsche auf der Insel in der Mitte des Sees.
    Kendra ging über den Rasen zum nächstgelegenen Pavillon. Irgendjemand kümmerte sich offensichtlich voller Hingabe um diesen Teil Fabelheims. Das Gras war immer gepflegt, nirgendwo blätterte die Farbe von dem Holz der Pavillons. Vielleicht war auch ein Zauber dafür verantwortlich.

    Von einem der Pavillons führte eine kleiner Steg zu einem im Wasser treibenden Bootshaus. Ihre letzte Begegnung mit Lena hatte am Ende dieses Stegs stattgefunden, weshalb diese Stelle ebenso gut geeignet schien wie jede andere, um nach ihr zu rufen.
    Kendra konnte auf der Lichtung keine Spuren von Leben entdecken. Bisweilen hatte sie Satyre und andere Kreaturen gesehen, aber heute Nacht war alles still. Das finstere Wasser des Sees lag reglos und undurchdringlich da. Kendra versuchte, sich leise zu bewegen, aus Ehrfurcht vor der Stille. Die Ruhe der Nacht war unheilverkündend. Irgendwo unter der unergründlichen Oberfläche des Sees wartete Kendras alte Freundin. Wenn Kendra die richtigen Worte fand, würde Lena hoffentlich dem Leben als Najade entsagen und ihr helfen. Lena hatte schon einmal beschlossen, den See zu verlassen, sie konnte es wieder tun.
    Kendra ging den Steg entlang, wobei sie sich vom Rand fernhielt. Sie wusste, dass die Najaden nichts lieber tun würden, als sie ins Wasser zu ziehen und zu ertränken. Kendra schaute zu der Insel hinüber. Wieder erfüllte sie ein Gefühl böser Vorahnung. Eine Rückkehr zu der Insel wäre ein Fehler. Das Gefühl war so greifbar, dass sie sich fragte, ob es etwas damit zu tun hatte, dass sie feenartig war. Vielleicht konnte sie spüren, was die Feenkönigin erlaubte und was nicht. Oder vielleicht hatte sie einfach nur Angst.
    Kurz vor dem Ende des Stegs blieb Kendra stehen und leckte sich die Lippen. Sie zögerte, zu sprechen und die Stille zu entweihen. Aber sie brauchte Hilfe, und sie konnte es sich nicht leisten, Zeit zu verschwenden. »Lena, ich bin’s, Kendra. Ich muss mit dir reden.«
    Die Worte schienen zu sterben, sobald sie ihre Lippen verließen. Sie trugen nicht über das Wasser und hallten auch nicht wider. Der dunkle See blieb unerforschlich. »Lena, das
hier ist ein Notfall, bitte, komm her und sprich mit mir«, versuchte sie es mit lauterer Stimme.
    Wieder hatte sie das Gefühl, als hätte sie ausschließlich für ihre eigenen Ohren gesprochen. Nirgendwo gab es ein Anzeichen einer Reaktion.
    »Warum ist sie wieder da?«, erklang eine Stimme zu ihrer Rechten. Die Worte kamen aus dem Wasser, sie waren leise, aber klar.
    »Wer spricht da?«, fragte Kendra.
    »Sie ist hier, um anzugeben, was sonst?«, antwortete eine andere Stimme direkt unter dem Steg. »Sterbliche werden immer so eingebildet, wenn sie unsere Sprache können, als wäre es nicht kinderleicht und vollkommen natürlich, sie zu sprechen.«
    »Ich muss zugeben, dass sie klangvoller ist als ihr unbeholfenes Geschrei«, kicherte eine dritte Stimme. »Zu bellen wie ein Seehund.«
    Kendra hörte Gelächter aus mehreren Richtungen. »Ich muss mit Lena sprechen«, flehte sie.
    »Sie sollte sich besser ein anderes Hobby suchen«, sagte die erste Stimme.
    »Vielleicht sollte sie es einmal mit Schwimmen versuchen«, schlug die dritte Stimme vor. Überall um sie herum wurde silberhelles Gelächter laut.
    »Ihr braucht nicht so zu reden, als wäre ich gar nicht hier«, sagte Kendra verärgert. »Ich kann jedes Wort sehr gut verstehen.«
    »Sie belauscht uns«, bemerkte die Stimme unter dem Steg.
    »Sie sollte näher ans Wasser kommen, damit wir sie besser hören können«, sagte eine neue Stimme, die vom Ende des Stegs kam.
    »Ich bleibe lieber da, wo ich bin«, erwiderte Kendra.
    »Sie bleibt gerne da, wo sie ist, sagt sie«, meldete sich
eine neue Stimme zu Wort. »Eine große plumpe Vogelscheuche, die an der Erde festklebt und auf Stelzen umherstapft.« Auf diese Bemerkung folgte der bisher längste Kicheranfall.
    »Besser, als in einem Aquarium gefangen zu sein«, gab Kendra zurück.
    Es wurde still im See. »Sie ist nicht sehr höflich«, sagte die Stimme unter dem Steg schließlich.
    Eine neue Stimme mischte sich ein. »Was habt ihr erwartet? Was glaubt ihr, wie ihr die Füße wehtun.« Kendra verdrehte die Augen angesichts des Gekichers, das folgte. Wahrscheinlich würden die Najaden mit

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