Die Gesichter der Zukunft
von der Arbeit kamen, füllten die breiten Gehsteige des Boulevard Montparnasse.
»Aperitif, M’sieur?« fragte der Kellner höflich. »Vin blanc ou rosé? Cafe?«
»Ah … ich weiß nicht«, sagte Henry. »Ist … ist dies Paris?«
»Selbstverständlich, M’sieur. Vielleicht hatte man bereits einen Schluck zuviel?«
»Nein, nein! Ich trinke nicht«, sagte Henry verwirrt.
Der Kellner begann die Untertassen auf dem Tisch zu zählen. »Für einen, der nicht trinkt, haben M’sieur sich gut gehalten. Vierzig Francs, M’sieur.«
Henry griff schuldbewußt in seine Jacke. Aber seine tintenfleckige Jacke war nicht sein Straßenanzug, und die Brieftasche war nicht darin. Außerdem hatte er Hauspantoffeln an den Füßen. Seine Brille rutschte ihm auf die Nase. Und seine suchenden Hände sagten ihm, daß er keinen roten Heller bei sich hatte.
»Bitte«, sagte Henry, »ich bin zufällig ohne Mittel. Wenn Sie mir erlauben würden …«
»So!« rief der Kellner, und seine glatte Höflichkeit war verschwunden. »Dann werden Sie trotzdem bezahlen! Gendarme! Gendarme!«
»Oh, bitte!« sagte Henry entsetzt und sehnte sich nach der friedlichen Sicherheit seines Arbeitszimmers …
Wups!
Lizzie glotzte. »Wieso … was … wo waren Sie? Oder waren es meine Augen? Ich glaube, es müssen meine Augen sein. Ja, bestimmt. Oder eine momentane Blutleere im Gehirn.« Sie blickte auf die Uhr. »Sehen Sie, Sie haben noch nicht gegessen! Sofort kommen Sie mit mir ins Speisezimmer!«
Demütig, aber innerlich völlig außer Fassung, folgte Henry ihr ins Speisezimmer. Sie stellte ihm einen Teller hin. Er hatte keinen Hunger, aber er brachte es fertig, etwas zu essen. Er war benommen und aufgeregt zugleich. Seine Gleichung war richtig. Es gab die negative Dimension. Und es gab nicht die geringste Schwierigkeit, hinein- und hinauszugehen. Geist war also alles, Körper nichts. Oder kontrollierte der Geist den Körper in einem Maß, daß nicht einmal eine Bewegung nötig war, die negative Dimension zu betreten? Hier gab es zweifellos noch schwierige Probleme zu lösen.
»Wovon träumen Sie schon wieder?« fragte Lizzie ungeduldig. »Gehen Sie nach oben und ziehen Sie sich um. Es ist schon sieben!«
Henry stieg die Treppe hinauf. Er kam in sein Schlafzimmer und sah, daß seine Kleider sorgfältig bereitgelegt waren. Oh, es war sehr verwirrend, sagte er sich, als er sich auf die Bettkante setzte. Er begann einen Pantoffel vom Fuß zu ziehen, und dann blickte er gedankenverloren auf den Boden.
Zwanzig Minuten später klopfte Lizzie an seine Tür. »Henry, Sie werden zu spät kommen!«
Er fuhr zusammen. Er hatte noch nicht mal diesen Hauspantoffel ausgezogen. Wenn Lizzie sehen würde, daß er sich noch nicht umgezogen hatte – sie begann die Tür zu öffnen.
»Und ich sollte schon dort sein!« ächzte er und sah in Gedanken das Auditorium Maximum der Universität.
Wups!
Es erschreckte ihn, als er sie hereinkommen sah. Er stand nervös am Rednerpult und war sich plötzlich seiner Hauspantoffeln, der befleckten Arbeitsjacke, des Tintenfleckens an seiner Nase und seiner fast schwarzen Finger bewußt. Hastig trat er vom Rednerpult zurück und versuchte sich davonzumachen.
Der Rektor und der Dekan der philosophischen Fakultät waren da. »Ah, Doktor Mudge«, sagte der Rektor. »Ich sah Sie nicht hereinkommen.« Er musterte ihn von oben bis unten und runzelte die Stirn. »Glauben Sie, daß dieser Aufzug der akademischen Würde eines Professors angemessen ist, der einen Vortrag vor einem erlauchten Kollegium …«
Henry dachte intensiv an die Kleider auf seinem Bett und begann eine Entschuldigung zu stammeln. »Ich, er –«
Wups!
»Was ist das, Henry?« sagte Lizzie. »Meine Güte, wo sind Sie?«
»Hier, Lizzie«, sagte Henry auf der Kante seines Bettes.
Sie eilte in den Raum. »Aber Sie haben sich ja noch nicht einmal umgezogen! Henry Mudge, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll! Haben Sie den Verstand verloren? Wollen Sie die Herren in der Universität warten lassen?«
»Ohhh!« ächzte Henry. Aber es war zu spät.
»Lieber Kollege«, sagte der Rektor, verwirrt blickend. »Was ist geschehen? Ich sagte gerade, daß ich Ihre Kleidung kaum für passend …«
»Bitte, ich …« Aber weiter kam Henry nicht.
»Ich weiß, daß es meine Augen sind«, sagte Lizzie.
»Hören Sie auf,« jammerte Henry. »Sagen Sie nichts! Bitte sagen Sie nichts! Bitte sagen Sie kein Wort!«
Plötzlich war sie ganz Sorge. »Aber
Weitere Kostenlose Bücher