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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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gegen die Tür, stemmte sich dagegen. Mit dem Warndreieck, das mitsamt dem Skizzenbuch unter die Kofferraumverkleidung gerutscht war, hebelte sie die Seitentür auf und floh ins Freie. Von der Wucht ihres Absprungs schwankte der brennende Wagen, löste sich vom Felsen und rollte als lodernde Feuerkugel in der Dunkelheit den Berg hinunter. Sie suchte Lars, glaubte ihn entdeckt zu haben, doch es war nur ein Steinhaufen zwischen Gestrüpp. Langsam zog sie sich den Berg hinauf, rutschte immer wieder ab. Als sie endlich oben auf der Straße war, verschwand die Sonne am Horizont, weit unten im Tal glimmte das Auto wie ein Glühwürmchen.
    Vor Erschöpfung schlief sie am Straßenrand ein. Jemand rüttelte sie wach. Doña Lupita, die einen Laden zwei Orte weiter betrieb, nahm sie in ihrem Lieferwagen mit. Carina wollte zur Polizei, sie mussten nach Lars suchen. Schnell. Sie fuhren an einer Taverne vorbei. Unter dem Sonnendach zur Straßenseite saß er, streute sich Salz auf die Hand und trank mit zwei Mexikanern Tequila.
    Noch Wochen später hatte sie von den Gurten Blutergüsse an Schultern und Brust, aber wie durch ein Wunder war sie sonst unverletzt geblieben.
    Sie blinzelte. Dann musste sie es doch auch hier herausschaffen. Die Augen fielen ihr immer wieder zu, brachten sie zurück nach Mexiko. Sie presste sich den Ärmel gegen die Stirn, zwang sich wach zu bleiben. Langsam nahm sie Umrisse wahr. Die Kammer war hoch, ein Gewölbe wie in einem Verlies. Als sie sich langsam aufrappelte, wankte sie, ihr wurde schlecht, der Kakao drängte wieder nach oben. Sie schluckte dagegen an und versuchte sich zu orientieren. Licht fiel unter der Tür durch. Laternenlicht. Sie musste sich noch im Alten Botanischen Garten befinden.
    Sie stemmte sich gegen die Tür und rüttelte an der Klinke, obwohl ihr Kopf zu bersten schien. Dimitri hatte sie eingesperrt. In einer Pfütze lag ihre Tasche. Hoffentlich war das Skizzenbuch nicht nass geworden, ihre Gesichtsstudien der letzten Jahre, ihr Leben in Bildern. Sie ertastete Stiele und Haken an der Wand, hängte die Tasche daran und zog ihr Handy aus dem Seitenfach. Kein Empfang. Die Mauern waren zu dick, das Fenster mit einer Platte verschraubt. Jetzt hätte sie die kleine Schlüsselanhängerlampe gebrauchen können, aber die hatte sie ja Sandro geschenkt. Mit dem Handylicht tastete sie die Gegenstände ab, so schwach leuchtete das Display. Sie stolperte über eine Gießkanne, blieb an Harken und Rechen hängen und schrak immer wieder vor ineinander verschlungenen Fratzen zurück. Korkplatten, Fliesen, Holzbretter und Trockenblumen, Zeitungsfotos, gerahmt wie Gemälde, Dimitris Gesichtersammlung, an ein riesiges Eichenfass montiert. Außer ihrem eigenen Keuchen hörte sie durch die Mauern gedämpft die Autos. Sie schrie um Hilfe, vielleicht ging zufällig jemand draußen vorbei und hörte ihr Rufen.
    Absurd; mitten in der Innenstadt hatte sich Dimitri ein kleines perfektes Gefängnis errichtet, das niemand je entdecken würde. Sie trat auf etwas Weiches und zuckte zusammen, hoffentlich war das kein Tier. Ein Schal lag auf dem aufgeweichten Lehmboden. Sie band ihn sich gegen die Stirnwunde fest um den Kopf, das linderte den pochenden Schmerz. Sie wollte versuchen, das Fenster irgendwie aufzuhebeln, kletterte über das Gerümpel bis zu dem Fass und hob den Deckel an. Hoffentlich lag da keine Tote drin. Sie leuchtete mit dem Handy hinein. Es war randvoll. Täuschte sie sich? Aber das Wasser wirkte rosa verfärbt, und irgendetwas schwamm darin, vielleicht nur Laub. Nahe am Fenster versuchte sie es wieder mit dem Handy. Vergebens. Sie schrie erneut um Hilfe, obwohl ihr Kopf dabei fast zu bersten schien.
    Wo hatte er Wanda hingebracht? Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ihre Schwester verloren hatte. Sie musste tot sein, warum hatte er sonst ihr Gesicht verdeckt? Hatte er sie auch entstellt, an Wanda sein Werk vollendet und ihr die Haut abgezogen? Wieder spürte Carina den Kakao in ihrem Magen rumoren, noch heftiger als vorhin. Aber sie durfte sich jetzt nicht übergeben, durfte nicht noch mehr Spuren verwischen. Was hatte sie alles berührt, wo ihre Fußabdrücke hinterlassen?
    Sie hielt inne. Ihre Schwester war ermordet worden, und sie dachte wie eine Rechtsmedizinerin. Wenn ihr Vater auch noch starb, hatte sie keine Angehörigen mehr, niemanden.
    Etwas schwappte unter der Türschwelle durch. Den Geruch kannte Carina nur zu gut. Jetzt erbrach sie sich doch, würgte eine halbe Ewigkeit. Als sie

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