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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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wieder aufsah, war das Benzin bereits entflammt. Ein leises Bellen drang an ihr Ohr, vielleicht bildete sie es sich auch nur ein. Schon brannte die Tür, das Feuer erhellte das Gesichtermuseum und leckte an ihrer Tasche. Dichter Qualm breitete sich aus. Carina hustete. Nur noch wenige Augenblicke und sie würde ersticken.
    Ihr blieb nur eine Wahl.

66.
    München im Oktober
    Sie weinte, als sie zum ersten Mal nach so vielen Jahren wieder die Münchner Fußgängerzone betrat. In der Menge baden und doch ganz anonym sein. Ihre alte Heimat, ihr früheres Leben, Rosa Salbeck, nicht mehr die gealterte, von Nesselsucht entstellte Regina Sommer. Sie irrte zwischen den Kaufhäusern umher, blieb in einer Schmuckabteilung hängen und kaufte eine Uhr für ihren Sohn. So eine hatte er sich als Kind gewünscht und nie bekommen, eine wasserdichte, die fotografieren konnte und aufnehmen. Unter der Glaskuppel des Kaufhausrestaurants begann sie ihre Lebensgeschichte für Dimitri aufzusprechen. Sie hatte sich nicht überwinden können, ihn anzurufen, war einfach hergefahren. Wenn sie sich begegneten, würden ihr schon die richtigen Worte einfallen, hoffte sie. Sie wollte der Uhr alles erzählen, von Anfang an, seit sie ihn im Krankenhaus, mit einer Lungenentzündung kämpfend, verlassen hatte. Leute, die mit ihrem Tablett zu dem freien Tisch neben ihr steuerten, wichen auf andere Tische aus; vielleicht war es ihnen unheimlich, wie sie da gleichmäßig, in den Schal gehüllt, vor sich hin murmelte.
    Zuerst wusste sie nicht, wie sie beginnen sollte, entschuldigte sich tausendmal, sprach von seinem Vater, von ihrer Liebe zu ihm und davon, dass sie ihn nie wiedergesehen hatte. Es gab so viel zu sagen, sie würde es gar nicht an einem Tag schaffen. Hoffentlich reichte die Aufnahmekapazität; sieben Stunden, hatte der Verkäufer gesagt und ihr die Geschenkschachtel mit spitzen Fingern in die verschorfte Hand gelegt. Sie drückte auf Stopp, würde später weitermachen. In die Nähe des Glaspalastes traute sie sich nicht, schlich darum herum, weiter zum Königsplatz und zur Glyptothek. Dort schlenderte sie durch die Skulpturensammlung. Ein Japaner knipste sie vor der Büste der Römerin, ihn störte ihr Ausschlag nicht, den sie, so gut es ging, mit dem Schal verbarg. Vielleicht war der Japaner ja auch beim BKA . Sie fröstelte. Doch dann reckte sie das Kinn und lächelte in die Kamera. Sie hatte aufgegeben.
    In das Café hatten sie immer Backwaren geliefert. Ob das immer noch so war? Eher unwahrscheinlich, nach so vielen Jahren. Und wenn doch, würde sie ihre Schwester überhaupt wiedererkennen? Die Auslagen der Theke waren leer. Die Bedienung erklärte, sie öffneten erst in ein paar Minuten, konnte ihr aber versichern, dass die Schmalznudeln noch immer von den Salbecks geliefert wurden, immer um elf Uhr fünfzehn, jeden Mittwoch und Sonntag, ganz frisch. Ihre Mutter hatte damals Sägespäne auf dem Boden der Restaurantküche ausgestreut, um das spritzende Fett aus den Töpfen aufzusaugen. Vielleicht war Dimitri ja Bäcker geworden oder Koch.
    Und da auf einmal sah sie ihn. Felix, dachte sie, und das Herz wollte ihr fast aus der Brust springen. Endlich hatte er sie gefunden. Tränen schossen ihr in die Augen und ließen alles verschwimmen. Er trug eine Bäckerhose mit schwarzweißen Karos und balancierte die Tabletts mit dem Gebäck. Der vertraute Geruch wehte sie an.
    Doch so jung hatte sie Felix nie erlebt. Sie wischte sich schnell über die Augen. Es war ihr Sohn, der seinem Vater aufs Haar glich. Sein Gang, seine schlaksigen Bewegungen, wie er den Kopf hielt, schüchtern und geheimnisvoll; bestimmt war er bei den Frauen begehrt. Er setzte sich ihr gegenüber auf die Steinstufen und betrachtete die Leute. Wieder holte sie das Geschenk hervor, hielt es nahe an die Lippen und sprach mit ihm, so als säße er neben ihr. Dabei ließ sie ihn nicht aus den Augen, bis sein Blick endlich auf sie fiel.
    Sie hatten sich wiedergefunden.

Siebter Tag
    Die Wahrheit ist dem Menschen zumutba r .
    Ingeborg Bachmann, Inschrift an der Gedenkstätte für Alfred Herrhausen

67.
    Carina blinzelte durch die Wimpern. Weiß und hellblau; und der vertraute Geruch nach Desinfektionsmitteln überlagerte den ekelhaften Geschmack in ihrem Mund. Sie war im Krankenhaus. Ein Flecken Haut, ein Gesicht dicht neben ihr. Sie dachte sich ein Lächeln, doch ihr Mund hatte keine Kraft dazu. Auch die Worte, die ihr in den Sinn kamen, bewegten ihre Lippen nicht. Rauch und

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