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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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einfiel, wenn er sie nach dem Befund seiner Frau fragte.
    Polizist Rüdiger versperrte in seiner ganzen Fülle den Eingang zum Spielplatz und hielt eine Kindergruppe samt Betreuerinnen in Schach. Waren sie als Zeugen oder aus reiner Neugier noch hier?
    »Die sollen hier warten, bis sie abgeholt werden. Der Kindergarten liegt auf dem Spielplatzgelände.« Rüdiger zeigte zu einem niedrigen Haus mit bunt bemalten Fensterscheiben. »Matte hat der Staatsanwältin gesagt, er will das … äh, den Leichnam nicht bergen, bevor Sie es … äh, ihn nicht gesehen haben.«
    Warum stotterte er so herum? Wenn eines der Kinder den Toten gefunden hatte, brauchte man kein Geheimnis mehr daraus zu machen, dachte Carina.
    »Tobias hat das Kind ausgegraben.« Eine der Erzieherinnen schob einen kleinen Jungen nach vorn.
    Carina stutzte. »Das Kind?«
    Rüdiger seufzte. »Ja, wir nehmen an, dass die Überreste von einem Kind stammen.«
    »Aus Ägypten«, meldete sich der Junge zu Wort. »Ganz golden ist es, wie der Tutanchamun, und ich hab’s gefunden.« Er strahlte Carina an. »Aber Elena hat alles verraten.« Er stieß das Mädchen hinter sich mit dem Ellbogen an.
    »Tobias stinkt, Tobias stinkt«, rief es zurück. Die Kinder stoben kreischend auseinander.
    Rüdiger hob das Absperrband, um Carina durchzulassen. Er flüsterte ihr zu: »Matte ist sehr stolz, dass seine Tochter Knochenexpertin ist. Während Sie in Mexiko waren, hat er jedem im Präsidium von Ihrem Erfolg mit dem vermissten Kind erzählt.«
    Woher wusste ihr Vater von der skelettierten Kinderleiche aus dem Kamin, die sie rekonstruiert hatte? In Mexiko-Stadt war es eine Schlagzeile wert gewesen, aber nicht auf der Titelseite und nicht in den internationalen Medien. Wie hatte sie nur glauben können, er hätte aufgegeben? Bestimmt ließ ihr Vater sie weiterhin durch seine Kanäle überwachen. Wahrscheinlich tat er das auch noch, wenn sie siebzig war und er fünfundneunzig. Genau deshalb hatte er auch nicht gefragt, wie es ihr in den zwei Jahren ergangen war. Er wusste bereits alles.
    Es fing zu regnen an. Mit einigen Mühen breitete die Spurensicherung eine große Plane über das Klettergerüst und verwandelte es in ein riesiges, weißes Zelt. Carina atmete tief durch. Ohne diese Plane wäre es leichter für sie gewesen, in das Loch unter dem Spinnennetz zu kriechen. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Ob ihr Vater auch von dem Autounfall wusste?
    »Na, endlich.« Matte, im weißen Schutzanzug, kam ihr entgegen, an seiner Nase hingen Tropfen. Inzwischen wehte der Regen wie ein dichter Vorhang herab. »Ein Kind im Sand. Ich hoffe, du kannst uns bei der Identifizierung helfen und feststellen, wie lange es schon da liegt.«
    Sie antwortete nicht. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, ihm die Meinung zu sagen, aber der würde kommen. Der Regen prasselte auf die Plane, lief in Bächen herab und weichte den Sand auf. Sie musste sich beeilen, bevor der Leichnam umspült wurde. »Ihm fehlt eine Hand.« Matte reichte ihr frische Schutzkleidung und einen Tatortkoffer der Spurensicherung.
    »Ihm?« Carina schlüpfte in den Overall und die Überschuhe.
    »Na ja, dem Kind. Ob Junge oder Mädchen, sollst du uns sagen. Die Hunde haben bisher nichts gefunden. Wenn es kein Tierfraß war, müssen wir den ganzen Sand umgraben, womöglich Korn für Korn durchsieben, bis dahinten zu dem Labyrinth.« Er zog den Reißverschluss weiter hoch und wischte sich über die Nase, die aus der Kapuze ragte. »Heute wird das vermutlich nichts mehr, bald ist alles unter Wasser.«
    Carina wartete, bis die Spurensicherung die Lampen eingeschaltet hatte und die Plane von innen ausleuchtete. Sie bückte sich, um darunterzukriechen.
    Matte berührte sie am Arm und neigte sich zu ihr. »Deine Chefin war hoffentlich einverstanden?«
    Sie sah an ihm vorbei in den Himmel, dann schloss sie die Augen. Der Regen kitzelte ihr Gesicht. Möge Tlaloc, der aztekische Regengott, oder irgendein anderer dort oben, zur Not auch das Münchner Kindl, ihrem Vater ein anderes Hobby als seine älteste Tochter schicken. »Kannst du mich allein lassen und dafür sorgen, dass ich ein paar Minuten ungestört bin?« Wie für einen Tauchgang holte sie Luft und schlüpfte dann unter den roten Seilen durch.
    Unter der Plane war es nicht so eng, wie sie vermutet hatte. Eine fast ausladende Breite empfing sie, und in der Mitte, bei der Eisenstange, waren bestimmt drei Meter Platz nach oben. Eine große Schwitzhütte, im wahrsten Sinn, dachte Carina und

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