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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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anscheinend nicht, selbst wenn er Ewigkeiten wartete. Ihr Vater brauchte sie , um etwas zu erfahren. Gleich würde Haschpapi im Quadrat springen, dachte sie und verkniff sich ein Grinsen. Umständlich stocherte sie in dem Kasten für Papierhandtücher herum, zog endlich das letzte, das sich seitlich verkeilt hatte, heraus. »Durch die Mumifizierung wirkt es so, als wäre der Leichnam kleiner. Die Knochen schrumpfen aber nicht«, sagte sie, faltete das Papierhandtuch auf, wie um darin zu lesen, trocknete sich ausführlich Gesicht und jeden Finger einzeln ab. »Die Stirn, die Zähne, die Augenbrauenwülste, die Kopfform insgesamt zeigen, dass das kein Kind mehr war. Wahrscheinlich eine junge Frau, aber Genaueres sage ich dir später.«
    »Richte deiner Chefin aus, dass es eilt«, rief er, schon aus ihrem Blickfeld verschwunden.
    Paula Feininger erwartete Carina zusammen mit Dr. Herzog im Seziersaal. Wie ein zweiter Stahltisch stand die Professorin raumfüllend im riesigen Kittel neben der immer noch in Folie verpackten Leiche. In den süßlich-herben Leichengeruch mischte sich der Dunst von Frittiertem. Obwohl Carina Pommes nicht besonders mochte, knurrte ihr der Magen. Außer einer Butterbreze am frühen Morgen hatte sie noch nichts gegessen. Sie sah sich nach der Geruchsquelle um. Einbildung, hier wurde nichts gegessen oder gekocht.
    »Schließen Sie die Tür, Frau Kyreleis, und konzentrieren Sie sich«, befahl Feininger, barsch wie gestern. Fettglänzende Wangen und Fleischreste zwischen den Zähnen zeigten, dass sie ihr Mittagessen bereits hinter sich hatte. »Los, fangen Sie mit der äußeren Leichenschau an.«
    Hatte es kein Dessert gegeben, oder litt die Professorin immer noch an Unterzuckerung? Aus dem Glasschrank nahm Carina ein Paar schnittfeste Handschuhe, schlüpfte hinein, stülpte eine Schutzbrille über ihre eigene Brille und hängte sich die Plastikschürze um.
    Sie fühlte sich wie bei einer Prüfung – jetzt nur nichts Falsches sagen, sonst wurde sie nach Hause geschickt. In die karge Wohnung in Haidhausen oder gleich nach Mexiko zurück? Warum war die Professorin ihr so feindlich gesinnt, schließlich hatte sie sie doch hier im Institut haben wollen. Hatte es was mit ihrem Vater zu tun? Dann sollte sie ihn lieber außen vor lassen. Sie versuchte auszublenden, dass auch hier jeder ihrer Schritte überwacht wurde, schaltete das Diktiergerät ein, das über dem Tisch hing und sprach ihre Beobachtungen darauf. »Auf Grund des trockenen, teils belüfteten Sandes auf dem Spielplatz ist der Körper der Leiche mumifiziert. Der Schädel ist gewebefrei, die rechte Hand ist abgetrennt. Mein … also äh, die Kriminalpolizei vermutet, dass es ein Tier, ein Hund vielleicht, gewesen sein könnte, das die Hand abgebissen hat. Sie wurde bisher nicht gefunden.«
    »Wir verzichten auf die Spekulationen des Kommissars«, unterbrach die Chefin. »Hier arbeiten wir mit Fakten, Frau Kyreleis.«
    »Tatsächlich findet man postmortalen Tierfraß, Nagespuren an den Schläfen und den Augenbrauenwülsten. Aber es gibt auch Schabspuren, die bis ins Mark gedrungen sind, dunkle Kratzer an Kinn und Kiefer. Sie könnten von einem Werkzeug stammen.«
    »Wie kommen Sie darauf?« Feininger trat neben sie. Ihre grauen Locken umwehte Frittengeruch, und auf der mächtigen Brust klebte Ketchup.
    Carina zeigte ihr die hellen Spuren auf der Stirn des Opfers, dann die fast schwarzen, gleichmäßig nebeneinander gesetzten Kerben am Kiefer.
    Feininger musterte die Flecken, und auch Dr. Herzog beugte sich darüber. »Können die Schäden von der Bergung stammen?«, fragte er.
    »Die Bergung lag doch in Ihrer Verantwortung?« Die Chefin fixierte sie.
    »Nein, dann wären die Kerben weiß und nicht schwarz verfärbt von der Verwitterung.« Sie war zwar an einem roten Seilstück des Klettergerüsts hängen geblieben und gestolpert, als sie den Bestattern geholfen hatte, den Leichnam auf die Bahre zu legen, doch sie hatte nichts beschädigt. Hier schwelte irgendetwas, das nichts mit diesem Fall zu tun hatte, aber solange Feininger nicht äußerte, was sie an Carina störte, würde sie die Chefin beim Wort nehmen und keine Vermutungen anstellen. Sie machte weiter, als diktierte sie für sich allein, hob den Schädel leicht an und tastete ihn ab. »Der Hinterkopf ist im Verhältnis zum Gesicht größer. Das feine Relief der Knochen, das schwach ausgeprägte Profil, die steile Stirn, kleine Warzenfortsätze hinter den Ohren, Jochbein, Schläfen und

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